#1

Waldhütte von Alexander

in Wald & See 11.02.2017 11:50
von Alexander Lightwood • 205 Beiträge

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#2

RE: Waldhütte von Alexander

in Wald & See 23.02.2017 01:02
von Alexander Lightwood • 205 Beiträge

Coming from: Der Lockwood-Kerker; Seite 1-2

Jeder Schritt den ich gehe, jeden Meter mit dem ich den Kerker hinter mir lasse, fällt eine Last von meinen Schultern, während ich die noch bewusstlose –so hoffe ich inständig- Caroline vor mir her trage, immer tiefer in den Wald hinein. Mit jedem Schritt polter mein Herz weiter, ein Organ welches ich längst als Mittel zum Zweck abgestempelt hatte, welches mir nun zeigt, dass es zu mir fähig ist, als nur Blut durch meine Adern zu pumpen. Meine Kleidung, meine Hände und auch meine Arme, alles ist beklebt mir rotem Blut, verkrustetes, rotes Blut. Teilweise von Caroline, teilweise von Lucille und auch von Emilia, alles zeugt von dem Blutbad welches sich im Kerker ereignet hatte, eine Tat die sich weder in Worte, noch in Gedanken fassen lässt. Als ich die modrige Waldhütte erreiche, die mit bloßem Auge und ohne Kenntnisse über den Wald nicht zu finden ist, stoße ich mit meinem Fuß die Tür auf, trete ein und lege Caroline sofort in das kleine Bett. Sogleich diese Last von mir gewichen ist, schließe ich die Tür und begebe mich zum Wasserspender, nur um ein Tuch mit Wasser zu benetzen. Wie ein Zombie torkle ich gedankenverloren auf Caroline zu, nur um ihr Momente später das Blut von Kinn, Mund, Hals und Händen zu waschen, ehe ich den Lappen auswasche und ihn ihr auf die Stirn lege. Mein Körper wirkt wie ferngesteuert, als müsse jene Handlung genauso ablaufen, während in meinem eigenen Kopf gähnende Leere herrscht. Nicht einmal die Frage nach dem warum oder dem wieso im Bezug auf meine Taten wage ich mir zu stellen, als ich nun selbst an das Becken trete, mir das Shirt vom Körper ziehe und mich in dem zersplitterten Spiegel betrachte. Was sehe ich? Ich sehe einen jungen Mann der versucht in seinem eigenen Spiegelbild die Antworten zu finden die er sich selbst nicht geben kann. Doch für die Richtigen Antworten müssen zunächst die Richtigen Fragen gestellt werden. Doch auch jene wollen mir nicht in den Sinn kommen, weswegen ich mich betrachte wie das hochkomplexe Rätsel das ich doch mittlerweile bin, so wie mich Caroline im Kerker angesehen hat, als ich Lucy davon abgehalten habe sie zu töten. Ich sehe durch das Spiegelbild hinweg zum Bett, versuche den Blick nicht all zulange ruhen zu lassen und wende mich ab. Mir fehlen schlichtweg die ozeanblauen Augen, umrandet von strahlenden, goldenen Locken. Wie ein Zombie beginne ich meine Arme, meine Hände und auch mein Gesicht vom Blut zu reinigen, stütze mich nach getaner Arbeit auf dem Waschbecken ab und betrachte die schwarzen Zeichen die meinen nackten Oberkörper zieren, als sei ich nun wieder in meiner eigenen Gedankenwelt, doch darin ist es so leer wie lange nicht mehr. „Wer bin ich?“, frage ich laut und deutlich mein eigenes Spiegelbild, mit skeptischem Blick, als erhoffe ich mir wirklich eine Antwort von mir Selbst, während ich mir vorstellen könnte wie die Lightwoods nun hinter mir applaudieren würden, weil sie nicht stolzer auf ihren Sohn hätten sein können.

@Caroline Forbes


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#3

RE: Waldhütte von Alexander

in Wald & See 23.02.2017 16:04
von Caroline Forbes • 882 Beiträge

Kaum war ich im Begriff, meiner Ohnmacht zu entsteigen in die wild wütenden Orkane meiner zerfegten Welt, fühlte sich doch mit dem ersten schlaftrunkenen Aufblinzeln alles noch so trügerisch leicht an; die traumatischen Erinnerungen, welche sich noch Stunden zuvor unwiderruflich in mein Gedächtnis eingebrannt hatten, ließen sich ihren trommelwirbelnden Anlauf, um mich ein weiteres Mal hilflos unter sich zu begraben. Doch in jener Zwischenphase zwischen mentaler Schläfrigkeit und dem Anbruch in eine ungewünschte Fortsetzung verblieb mein sanftes Herz für die ersten Sekunden, in welchen ich mich leise murrend in dem Bett Alexander’s wendete, das ich als jenes Stefan’s vermutete, in geschützter Unantastbarkeit. Sanfte Sonnenstrahlen fielen durch die groben Ritzen der Holzlatten seiner Hütte auf mich ein, erhellten mein Haupt mit ihrer tückischen Einladung in den folgenden Tag mit einhüllender Wärme, ließen mein lichterhelltes Blond mit sich um die Wette strahlen, wo es doch tief in mir so dunkel war … noch war mein Wachbewusstsein nicht dazu imstande, ebenso die Trauer in mir mit sich zu erwecken, ließ mich in dem tückischen Glauben, dies sei eine Auszeit wie jede andere gewesen an genau jenem Ort, an den ich mich wünschte – zur Seite Stefan’s, dessen Name mir noch im Halbschlaf kaum flüsterstill und doch spürbar verzehrend von den Lippen wich: „Stefan …“ Schwach streckte ich mit halbgeschlossenen Lidern den Arm nach meiner Illusion … bloß um festzustellen, dass mein Verlobter nicht an meiner Seite war. Und mit einem Male begann es in mir zu rattern, binnen weniger Sekunden warf mich der eigene, nun abermals erhellte Verstand zurück in eine Welt, die niemals hatte sein dürfen: Stefan war nicht hier, ich war nicht bei ihm, ich war gegangen, gegangen mit dem Jäger, gefolgt von Emilia, die ich somit in ihren eigenen Untergang einlud. Kampf, Blut, Schwäche, Tod, Mord. Die Bilder warfen sich selbstständig an die zuvor noch leere Leinwand meines inneren Auges, folterten mich ein weiteres Mal, worunter ich aufgeschrocken meinen Oberkörper aufrichtete, in hörbar schweren und stoßenden Zügen atmend – während es das bescheidene Ambiente der Holzhütte war, durch nicht glauben wollende Blicke ertastend, welches mich mit fassungslos schockiertem Augenpaar daran zurück entsann, dass ich nicht bloß einem fatalen Albtraum entstiegen war. Gar so, als fürchtete ich mich vor dem eigenen Anblick – die letzte Bestätigung der doch rational gesehen bereits unleugbaren, tödlichen Wahrheit, mit der sachte dahin sterbenden, verbliebenen Hoffnung entgehen wollend – wagte ich einen Blick über das eigene Haupt herab, dort wo hatte stechendfarbenes Blut mich erwarten sollen, Blut über und über, während es in Wahrheit jedoch bloß meine Kleidung war, welche ungereinigt verblieb. Man hatte mich weich gebettet, man hatte mich umsorgt, bereinigt von meiner doch unwaschbaren Schuld, man hatte Fürsorge gezeigt, ausgerechnet in dem Moment, in dem all das an mir vorüber gezogen war. Aufgewühlt fiel mein Blick nun Alexander entgegen, Alexander, welcher mir halbnackt aus wenigen Metern Entfernung gegenüber stand und vermutlich mit dem Bewundern des eigenen, lächerlich perfekten Spiegelbildes zugange gewesen war, so war mir seine selbstbezogene Melancholie doch bedauerlicherweise entgangen. Selbstverständlich entging meinen äußerst geschärften Augen nicht die Tatsache, dass fernab des lächerlich perfekten Gesichtes der Anblick auf einen männlichen Körper verborgen gewesen war, der weibliche Instinkte mühelos auf Hochtouren zum Köcheln bringen konnte, doch jene Banalität fegte ich mittels eines überrumpelten Blinzelns zur Seite. „Weshalb bist du so zu mir?“, hörte ich mich selbst zu Ende hin schluchzend zu ihm hervor preschen, meine Worte gar einem Vorwurf nahe kommend, durch hilflos überfordertes, nassfunkelndes Ozeanblau, „weshalb hast du mich nicht getötet, als du die Chance dazu hattest? Du bist vom Weg abgekommen, du hast falsch gelegen, als du dich dazu entschieden hast, mich zu retten. Du bist … du bist der dämlichste Idiot, der mir je unterkam!“ Meine Worte nach und nach an immenserer Intensität und Stimmgewalt gewinnend, mich ungeahnt kaum nach meinem vollständigen Erwachen in einer Hasstirade aus Schuldzuweisungen verlierend, um all den Schmerz, all den Selbsthass in mir, zu fokussieren und somit zu kompensieren. In meinen Augen glich es einer unwiderruflichen und unantastbaren, vollständigen Gewissheit, dass es nicht Geringeres als meine eigene Blutlust, das tollwütige Tier in mir, es gewesen war, das durch die eigene Gewissen- und Skrupellosigkeit Emilia geradewegs zu Grabe getragen hatte! Dieser eine Moment der Schwäche, in dem ich entschieden hatte, dem inneren Ungeheuer nachzugeben, hatte zwar bloß augenscheinlich Lucille verletzt und doch war es am Ende eine der am meistgeliebten Persönlichkeiten in meinem zerstörten Leben gewesen, der ich derweilen tatsächlich das Leben dank meines unerbittlichen Egoismus aus dem unschuldigen Leibe gesogen hatte. Doch jemand anderen dafür zu hassen war so furchtbar leicht in Anbetracht dessen, dass wenn man sich selbst hasste, niemals vor dem größten Feind, einem selbst, wegzulaufen vermochte. In jenem Augenblick erdolchte ich Alexander mit den Blicken eines Todfeindes, denn hatte all das mit ihm begonnen, all das mit der törichten Idee, seinen Fuß in meine Welt zu setzen, welche niemals für ihn bestimmt gewesen war. All das hatte mit meinem Mitgefühl zu dieser gebrochenen Seele begonnen und war mit dem Mitgefühl eben jener Seele unter unvergleichlichem Schrecken geendet. Na immerhin hatte Alexander doch jetzt genau das bekommen, was er von Anfang an beabsichtigt hatte: den kaltblütigen Mord an einem Vampir. Zwar in keinster Weise durch ihn geschehen, doch in jenem niederreißenden Moment klammerte sich mein Unterbewusstes selbst an den spärlichsten Ast, der mich vor dem gänzlichen inneren Zerfall bewahren sollte. Für jenen spärlich begrenzten Einblick in die so überwältigende Realität um mich herum lag mir glasklar auf der Hand, dass es der hasserfüllte Antrieb gewesen war, der Alexander nach Mystic Falls gelockt hatte, welcher den ursprünglich erdachten Tod letztlich ähnlich eines Dominosteins in die Wege geleitet hatte – Begebenheit fiel an Begebenheit und das Kartenhaus fiel in sich zusammen, einzig alleine durch ihn, den Ursprungsstein, der bösen Energie, die sich eines so fatalen Anteils meines Lebens bemächtigte. Und mir meine Emilia nahm … „Du bist ein so entsetzlicher Feigling! Hättest du nur den Mut gehabt, mich zu töten, dann wäre all das niemals geschehen! Glückwunsch – du hast bekommen, wonach es dir so sehr gesehnt hat! Hat es sich gut angefühlt, sie sterben zu sehen? Ich wette, dieser hässliche, hasserfüllte Anteil in dir hat Tränen gelacht, als es dem Monster endlich an den Kragen ging! Doch du hast ein Monster vergessen: mich!“, schrie ich ihm letztlich tränenbrüchig entgegen, mich heftig unter der Intensität meines Tränenausbruchs schüttelnd, der Zorn in meinen Worten jedoch regelrecht verschluckt von nichts als der nackten Trauer in mir. So sehr ich mich auch darum bemühte, dass meine Worte ähnlich einer tödlichen Sturmgewalt über ihn herfielen, so las sich zwischen den Zeilen nichts anderes als Verletzlichkeit und der klägliche Gesang einer bestürzten Seele, welche gezwungen war, von der lockend heilsamen Vergangenheit abzulassen. Es war die Furcht vor einem Leben ohne Emilia, meinen Fels in der Brandung, jener Frau, die mich im Gegensatz zu allen anderen nie hatte erfahren lassen, wie Gleichgültigkeit und Egoismus schmeckte, welche lauter als meine Stimmgewalt mit meinen Schuldzuweisungen einher schwebte. Aus der objektiven Betrachtung ging jedoch glasklar hervor, dass meine Trauer die wirren Gedanken in mir schürte, welche unkontrolliert aus meiner weinenden Seele schütteten und jegliche Logik, gar die Anzeichen von Fürsorge und Zärtlichkeit, die Alexander in meiner Ohnmacht und dem vorigen Erbarmen seiner Rettung gesät hatte, zu Unkenntlichkeit verzerrten – mir eine Parallelwelt erdenkend, in welcher mein Leiden einen klaren, schwarzmalerischen Schuldigen wusste, so wie Alexander einst … und eben jenem stand ich nun in Vampirgeschwindigkeit gegenüber, ehe er sich hatte versehen können, mein Gesicht, auf welchem die sonnengeküssten Tränen diamantengleich erglänzten, ihm auf unausweichlicher Augenhöhe begegnend – verletzte Augen, welche nach nichts als Vergeltung sehnten. So warf ich ihn schlagartig mit dem entblößten Rücken an die Wand hinter sich, es schien sich ein Kampf anzudrohen, ich mich von all der Verwirrung der sich wild in mir überschlagenden Emotionen als Marionette eben dieser herzugeben scheinend … doch stattdessen brachen meine Worte des Weiteren tiefseelischen Leids auf ihn herab: „Siehst du jetzt, was für ein Fehler es war, deine Bedeutung in fremden Leben zu suchen? Du bist reinstes Gift, Alexander! Du trägst das Gift, das du ein Leben lang mit dir trägst, in das Leben anderer und vergiftest dieses!“ Es schien, als hatte ich meine Worte bis in die Unendlichkeit fortführen können, wäre da nur nicht all das verzweifelte Schluchzen und Japsen, das mich darauffolgend meiner Stimmkraft bestahl, ihm gegenüber haltlos in den Todeswellen meines Verlustschmerzes ertrinkend … doch entgegen aller Erwartungen fiel ich nun zu ihm auf die Knie herab und wie mein Blick jenem verhängnisvollen Gesicht kaum aus Zentimeterferne entgegen fiel, so offenbarte ich die Schutzlosigkeit, die Zerbrechlichkeit in mir, während er mit jeder Sekunde ein nachzählbares Funkeln aus meinen ozeanblauen Augen dahinsterben sah. „Weshalb vollendest du nicht, was du geplant hast? Ich bin ganz dein. Töte mich, wenn es deinem Leben Bedeutung verleiht. Ich verdiene nichts anderes als das“, wehten meine Worte nun zarteren, geschwächten Flüsterklangs auf ihn nieder, während meine Augen sich urplötzlich gar freundlich erhellten, mit nichts als diesem einen, wohlgemeinten Wunsch – und doch sprachen die daraus entsprungenen Tränen eine ganz andere Sprache. Nun jedoch ereilte mich die abermalige Welle, die keinen Gedanken in mir zuließ, welcher sich als klar genug erwies, um sich auch nur dessen Weg an die Oberfläche zu bahnen und kaum brach mich der Schmerz abermals, kaum entlockte er mir neuen Pein, der sich in Form feuerheißer Tränen über mich ergoss, vermochte ich ihm nicht länger standzuhalten – und es zog mich geradewegs, so als sah sich all meine Widerstandskraft in sich aufgesaugt, in die nackten Arme meines Feindes, den Kopf unter sein Kinn und an die Wärme seiner Brust werfend, mich wie ein verschrecktes kleines Mädchen an ihm versteckend. Die einzigen Arme, welche für mich erreichbar schienen, allen Verstandes zum Trotz meine einzige Zuflucht angesichts alledem, was mich brach. So spürte er meinen zarten Körper hektisch an sich atmend, meine Lippen zarte Wärme auf seine Brust nieder wehend, meine Brust sich in übermäßiger Geschwindigkeit anhebend und wieder senkend an der seinen. „Töte mich …“, erschluchzte ich hauchzart an seiner nackten Haut und vergrub mich an ihm, als war nur er es, der die reale Welt von mir abzuschirmen vermochte.
@Alexander Lightwood


In the end we'll fall apart just like the leaves change in colors

And then I will be with you, I will be there one last time now

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#4

RE: Waldhütte von Alexander

in Wald & See 24.02.2017 00:42
von Alexander Lightwood • 205 Beiträge

Minutenlang bestarre ich das mir so vertraute eigene Spiegelbild, nur Sekunden nachdem ich die Frage aller Fragen gestellt hatte: ‚Wer bin ich?‘
Ich betrachte mich, meine Augen, deren braune Intensität geradewegs nach der Seele in mir suchen, meine Lippen, die noch Stunden zuvor von Carolines Blut benetzt waren, meine Gesichtszüge, wie sie prüfend drein blicken, während mein Blick erneut meine Augen fixiert. Tief und lange sehe ich mir durch das Spiegelbild in meine eigenen warmen, braunen Augen, geradewegs in mich hinein auf der Suche nach meiner Seele, auf der Suche nach Antworten. Warum habe ich Caroline gerettet? Warum habe ich Lucille nicht länger aufgehalten? Warum konnte ich Caroline nicht abhalten zur Bestie zu werden? Wieso konnte ich nicht mal einen kleinen Finger krümmen um Emilia zu retten? Fragen über Fragen die allesamt vom Winde verweht werden, als ich das leise Murren hinter mir vernehme, gefolgt von Bewegungen und dem Knarren des Bettes. Sofort bin ich wieder im Hier und Jetzt, schaue durch den Spiegel hinweg über meine Schulter, zu meinem Bett auf dem Caroline Minuten zuvor noch gelegen hat wie ein schlafender Engel. Als würde ein Anker von meinem Herzen in die Tiefe fallen, so fühlt sich die Erleichterung tief in mir an, als ich realisiere, dass sie lebt und nicht auch der Jägerin zum Opfer gefallen ist. Moment, Moment, Moment. Wo ist der vor Arroganz nur so strotzende Alec hin, der keinerlei Emotionen in sich wusste, außer die Wut und der Hass? Wo ist das selbstgefällige Grinsen, wo die Ignoranz, wo die provokante Ader? Haben wirklich ein paar wenige Stunden und die ozeanblauen Augen alles geändert, was ich so mühselig aufgebaut hatte? Oder haben eben jene einfach nur die Fassade zum Bröckeln gebracht, die mein wahres Ich verbergen sollte? Ich habe keine Ahnung, doch in diesem Moment bin ich innerlich einfach nur heilfroh, dass Caroline am Leben ist, dass sie atmet und wie sie atmet. Gerade aufgewacht und schon muss sie sich dem stellen was vor ihrer Ohnmacht alles geschehen ist: Meine Gefangenschaft, ihre Rettung durch meine Hand, ihr Blutrausch, die Ermordung Emilias, all das muss nun auf sie einschlagen wie Hagel auf die Erde, so meine Vermutung. Noch bin ich still, noch habe ich mich keinen Millimeter bewegt, als sei ich nur eine Statur, auf ewig dazu verdammt zu stehen und den vorüberziehenden Menschen entgegen zu blicken. Zu meist fühlte ich mich auch genauso: Wie eine emotionslose Statur oder noch besser wie die Hauptdarsteller aus der Zauberer von OZ. Ich fühlte mich meist wie der Löwe ohne Mut und wie der Blechmann ohne Herz, auf der ewigen Suche nach den Puzzleteilen die mich vervollständigen, doch all die Ereignisse meines Lebens brachten mich von der Suche ab, schürten negatives in mir, wo in frühester Kindheit doch mein Herz schlug, das mit dem schicksalshaften Tod meiner Mutter abhandenkam und mich so zum Blechmann werden ließ. Wann werde ich wohl erkennen, dass jene Eigenschaften mir nicht entrissen wurden, sondern nur verborgen in mir liegen? Werde ich jemals mein Happy End haben wie auch der Blechmann und der Löwe? Hach, wie sehr habe ich als Kind diesen Film geliebt, ihn mir immer und immer wieder angesehen, jedes Wort auswendig gewusst und immer wieder mit dem Löwen, dem Blechmann und dem Strohmann mitgefiebert, obwohl ich doch wusste das das Ende längst ein Happy End für die drei vorgesehen hatte. Schicksal wenn man es so meinen könnte, doch ich glaube nicht an das Schicksal. Oder mittlerweile doch? Ich habe keine Ahnung was ich noch glaube, aber diese Frage wird nebensächlich, die Bilder des Films flimmern ein letztes Mal an meinem inneren Auge vorbei, ehe Carolines Frage gänzlich zu mir durchdringt und ich statt des Löwen ohne Mut mein eigenes Spiegelbild erkennen kann. Schlagartig drehe ich mich um, sehe Caroline direkt in ihre tränennassen, ozeanblauen Augen hinein. „Weshalb ich so zu dir bin? Frag mich was leichteres, ich…“, doch weiter komme ich mit meiner Erklärung nicht, weiter hätten meine Worte ohnehin nicht gereicht um das Phänomen Alexander Lightwood ausreichend zu erklären, doch ich stoppe auch, weil ich unterbrochen werde, durch die anklagende Weiterführung von Carolines Worten. Ja, Alec, warum habe ich sie nicht getötet? Warum habe ich diese Chance nicht genutzt auf die ich ganze zwei Wochen hingearbeitet hatte? Sie hat recht, was ich mir vor ein paar Tagen nicht einmal in meinen Gedanken eingestanden hätte. Caroline Forbes hat Recht, denn ich bin tatsächlich von meinem Weg abgekommen. Doch warum? Wie wurde aus dem rachsüchtigen, arroganten Arschloch, ein mitfühlender, umsorgender Alexander? Ja, ja verdammt ich bin ein dämlicher Idiot, aber nicht weil ich sie verschont habe, nicht weil ich die Chance nicht genutzt habe, sondern weil ich meinen Plan falsch angegangen bin. In jenem Moment als Caroline dem Blutrausch verfallen ist, da schlug mein Mitgefühl plötzlich wieder um, in jenem Moment als sich ihre Augen vom ozeanblau in ein tiefes schwarz gewandelt hatten. In genau jenem Moment flammte der Hass in mir wieder auf, aber nicht der Hass auf sie, sondern auf den Vampir der für all mein leid verantwortlich war und als sie erneut zurückgeworfen wurde, das strahlen ihrer Augen zurück war, so war auch mein Mitgefühl und meine Besorgnis zurück, ganz von selbst. Da war kein Hass, keine Wut, keine Rachegedanken, bloß ich war da, der Alec der verborgen unter den Trümmern eines verkorksten Lebens gelebt hatte. Ich erkannte ihre Menschlichkeit, die mir einen größeren Schrecken einhauchte als ihre vampirische Ader. Und warum? Weil ich wusste wie Vampire sind, das sie blutrünstige Gestalten der Nacht sind, doch was ich nicht wusste war, dass in fast jedem Vampir auch noch ein Mensch steckte, so wie in fast jedem Mensch eine blutrünstige Bestie zu stecken schien, siehe Lucille und auch mich, nur das meine Bestie eher einem Schoßhündchen glich. „Ich bin also der damlichste Idiot mit einem lächerlich perfekten Gesicht, hm? Vermutlich hast du Recht, recht damit, dass ich von meinem Weg abkam, aber ist das denn verwerflich? Wenn das in deinen Augen einen dämlichen Idioten aus mir macht, dann bitte, dann bin ich einer…“, antworte ich, während sich meine Augen auf die ihre fixieren und die Intimität ihres Schmerzes und des Mitgefühls meiner Augen aufeinander treffen, wie zwei kollidierende Züge. Doch das Mitgefühl meiner Augen weicht tiefer Verletzlichkeit, jene die ich mir zuvor nie hätte erträumen können, als ihre nächsten Worte mich überrollen und kalt erwischen wie ein Dorf bei einem Blizzard. Nicht nur das allein anhand ihrer Wortwahl deutlich wird, wem sie die Schuld für den Tod Emilias in die Schuhe zu schieben versucht, sondern auch die Trauer um die geliebte Freundin wird durch den Klang ihrer Stimme preisgegeben. Für einen Moment kehre ich in mich, für mich bloß ein Moment, für die Außenwelt wenige Minuten, in denen ich abwesender bin denn je. War es wirklich meine Schuld? War es nicht ihr Blutrausch der sie angreifbar werden ließ? Oder doch mein Vorhaben in dieser Stadt Rache zu üben? Aber betrachten wir das ganze einmal nicht aus meiner verkorksten Sichtweise, sondern versetzen uns in die Lage eines rational denkenden Menschens, der noch dazu an das Schicksal glaubt, dann stellen wir fest, dass der Tod Emilias sicher irgendwo schon geschrieben stand, bevor die junge Frau überhaupt das Licht der Welt erblickt hatte. So hat mein Erscheinen zwar die vorhergesehene Zukunft verändert, doch das unvermeidliche ist nur verschoben worden, nicht ausgelöst. Doch ihre Anschuldigungen gehen nicht einfach spurlos an mir vorbei, wie gesagt, so würde ein rational denkender Mensch halt denken, nicht ich, ich sauge lieber die Anschuldigungen in mich auf, sowie ihre Stimme und den Ausdruck ihrer verweinten Augen. Aber auch hier werde ich um meine Antwort gebracht, die Zeit in meinem Gedankenpalast ist wieder verstrichen wie Sand in einem Stundenglas, denn als ich die Umrisse der Realität wieder wahrnehme, so erblicke ich die ozeanblauen Augen nicht mehr zwei Meter weit von mir weg, sondern nur Zentimeter von mir entfernt, Augen die vor Tränen nur so erglitzern und in mir abermals Mitgefühl wecken. Ihre Menschlichkeit schlummert in ihr, so wie die meine es tut, so wie ich mich vor Emotionen verschließe, so lässt sie sie raus. In ihr schlummert ein Mensch, auch wenn dies unvorstellbar klingt, so glaube ich den Menschen schon erkannt zu haben in der Sackgasse, bei der Abweisung Stefans. Mit einem tiefen Blick in ihre Augen erkenne ich auch etwas, was ich vor zwei Wochen in meinem eigenen Spiegelbild wahrnehmen konnte: Der Blick der Vergeltung, Augen die nach Rache sehnen, Rache für ein Leben das genommen wurde, denn irgendwo musste die Schuld ja hin, denn die Schuld einem selbst zu geben ist immer schwerer als sie bei anderen zu suchen. In genau jenem Moment in dem mich der allesendscheidende Geistesblitz erreicht, trifft mein Rücken hart, entblößt und unerwartet auf die Wand, unmittelbar neben dem Waschbecken, auf. Der Schmerz zieht nach unten, meine Beine geben nach, als mein Hinterkopf auf dieselbe Stelle trifft, die zuvor Lucille mit dem Stein erwischt hatte und lassen mich erschöpft, wie ein nasser Sack zu Boden sinken, zu Füßen Carolines. Ich sehe mich schon abermals in einem Kampf den ich unmöglich gewinnen kann, gebe mich schon mit dem Gedanken des verdienten Ablebens zu Frieden, als ich nach oben blicke, entschlossen und besorgt, während ihre Worte abermals auf mich herab regnen wie Bomben und direkt in mir explodieren. Sie treffen mich, direkt dort wo mein Herz gerade wieder für das Richtige zu schlagen begonnen hatte. ‚Du trägst das Gift, das du ein Leben lang mit dir trägst, in das Leben anderer und vergiftest dieses…‘, hallt immer wieder in meinem Kopf nach, während ich Caroline von unten herauf ansehe, mit tiefer Betroffenheit, die rein gar nichts mit dem Alec gemein hat, den sie kennengelernt hatte. Wie recht sie doch mit dieser Aussage hat, wie gern ich dies zugegeben hätte. Ja, jeder der in mein Leben trat wurde erst durch mich vergiftet, ehe sie der Tod geholt hatte: Meine Mutter, Mrs. Hasting, Kyle, die Lightwoods und zu guter Letzt Emilia, die ihr Leben ließ, weil ich töricht genug war zu Glauben ich könnte den Tod meiner Eltern rächen und so meinen Namen rein waschen. Doch nun? Nun ist es egal was andere denken, ob die Polizei mich für einen habgierigen Mörder hält oder ob die Verwandten mit den Worten ‚Ich habs doch schon immer gewusst…‘ um sich werfen wie mit Sonderangeboten auf einem türkischen Basar. Denn nun sehe ich Caroline entgegen, die mit einem einzigen Wimpernschlag mein Leben beenden und so Rache für Emilia einfordern kann, eine Aktion die ich ihr nicht einmal verübeln kann, auch wenn es nicht meine Schuld war, wenn der Tod Emilias womöglich auch ohne mich eingetreten wäre. Doch unter Schluchzen und Japsen finde ich kein jähes Ende, sondern erhasche ein völlig neues Bild von Caroline. In jenem Moment in dem sie sich zu mir herab auf meine Augenhöhe begibt, setzt mein Herz erst aus, nur um dann doppelt so schnell zu schlagen. So offenbart sie mir, mit einem einzigen Blick, all das was ich niemals in den Augen eines Vampires hätte erahnen können: Schutzlosigkeit, Hilflosigkeit, Zerbrechlichkeit. Es blitzt und funkelt mir entgegen, unter all den Tränen und begleitet von Worten, die mich in meiner jetzigen Verfassung niemals hätten kalt lassen können. Sie bittet um den Tod, ganz von selbst, sie bittet und bettelt um Erlösung, doch natürlich weiß ich nur zu gut das dies eine Phase der Trauer ist, eine Phase die ohne eine Stütze niemals ganz hinter sich lassen kann. Da Emilia als jene Stütze ausfällt und Stefan gänzlich ungeeignet für überhaupt eine Tätigkeit scheint, sehe ich sie nun mit mitfühlenden, besorgten Augen an, bereit ihr dabei zu helfen, jene Trauer zu bekämpfen, so wie mir einst niemand geholfen hatte, so wie mir bei allen vier Todesfällen niemand zur Seite stand, als ich vermutlich jemanden gebraucht hätte. Worte und Augen sie sagen das eine, ihre Tränen das andere und ihre Taten sprechen Bände, als sie sich in meine Arme wirft, als wäre ich ein rettender Baumstamm auf hoher See. Ihr Kinn liegt auf meiner Brust, ihre Tränen benetzen meine Haut, ihre Arme umringen meinen Bauch. Meine geweiteten Augen zeugen nun auch von schierer Überforderung und Überraschung, doch sogleich ich mich der neuen Rolle angenommen habe, den schreienden Rachegelüsten einen kräftigen Tritt verpasst habe, legen sich nun auch meine Arme um sie, zeitgleich mit ihren letzten beiden Worten, ehe sie sich fester an meine Brust drückt. Dort wo ihr Ohr nun liegt, schlägt mein Herz, es poltert, schlägt lauter und schneller als zuvor, während ich versuche leise und ruhig zu atmen. „Ich werde dich nicht töten. Nenn es feige, denn es dämlich, nenn mich einen Idioten, doch ich werde dich nicht töten…“, hauche ich ihr in das Ohr, leise und zum ersten Mal von echten Emotionen befangen. Einige Minuten sitzen wir so da, ihr Schluchzen erhellt die sonst so erdrückende Stille, bis ich jedoch etwas in die Wege leite, was ich mir noch nie in meinen kühnsten Träumen hätte erträumen können: Ich befreie mich aus der Umarmung, aus dem Knäul was wir geworden sind, nur um meine Hände hauchzart an ihre Wangen anzulegen, damit sie mir in die Augen sehen muss, damit ich ihr in ihre ozeanblauen Augen schauen darf. „Wie können Augen nur so machtvoll sein? Wie kann ein einziger Blick alles verändern an was man glaubte?“, zwei simple Fragen die ich ihr entgegen hauche, während meine Daumen ihre Tränen beiseite wischen, immer dann wenn neue dazu kommen. Ohne jedoch eine Antwort abzuwarten lasse ich von ihr ab, jedoch nur um sie zum zweiten Mal vor meine Brust zu heben, wie ein kleines Mädchen eben und sie beschützend vor mir her, zurück zum Bett zu tragen. Doch statt sie auf das Bett zu legen und sich dort selbst zu überlassen, lege ich mich auf dieses nieder, sie neben mir, ihren Kopf auf meine Brust, meine Hand an ihrer Seite, während ich zu ihr herab blicke. In diesem Moment sind alle Grenzen heillos überschritten, in diesem Moment der Intimität sind alle Rückwege verbarrikadiert, sodass es keinen Weg zurückgibt. Ich spüre ihre Tränen weiterhin auf meiner Haut, die Haare wie sie meine Brust kitzeln und doch könnte ich mir wahrlich keinen schöneren Moment vorstellen. „Du hattest Recht. Ich bin Gift für jeden Menschen der sich mir nähert. Ich bin wie ein Todesengel, dazu verdammt jeden noch so geliebten Menschen zu Grabe zu tragen. Was glaubst du warum ich so bin wie ich bin? Weil ich es nicht ertragen könnte noch jemanden zu Grabe zu tragen. Dein Verlust tut mir unendlich leid, aber geschehen ist geschehen. Ich weiß wie es ist mit dem Schmerz alleine zu sein, deshalb liegen wir hier, damit du nicht alleine bist“, flüstere ich ihr hauchzart entgegen, den Blick in Richtung Decke gerichtet, als könnte ich durch sie hindurch, direkt in den Himmel blicken, während ich mit meiner Hand über ihren Rücken streiche. Wo auch immer der arrogante, selbsthassende Trunkenbold abgeblieben ist: Er soll bleiben wo er ist, erst wiederkommen wenn die Zeit reif ist, denn gerade in diesem Moment spüre ich etwas was ich längst vergraben geglaubt habe: Erleichterung und Wohlbefinden.

@Caroline Forbes


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#5

RE: Waldhütte von Alexander

in Wald & See 24.02.2017 16:56
von Caroline Forbes • 882 Beiträge

Selbst bei klarem Verstand hätte ich nicht gewusst, ob mich die so erhellend sanften Worte Alexander’s, Worte von überraschend aufrichtigem und unbeschattetem Mitgefühl, mich überraschten – denn so hatte ich entgegen aller Preisgebungen von Anbeginn an auf das Gute in ihm gesetzt. Ich hatte hindurch seiner Fassade des unantastbar Seelenlosen unmittelbar in den Schmerz hinein gesehen, ein Schmerz, der mir doch mehr als nur vertraut gewesen war, seit ich an eben jenem Schmerz gewachsen war. Ich hatte die Angst gefühlt, welche unter seiner Unnahbarkeit bebte, ja, ein Stück weit hatte ich mit ihm gelitten, obgleich seine Vergangenheit, die diesen hasserfüllten Menschen mit keinem geringeren Wunsch als jenen, Tod zu bringen, geformt hatte, bislang nichts Weiteres als ein spärlich auszumalendes Gerüst der Fadenscheinigkeit für mich war. So wie ich mich nun entgegen all meiner kühnsten Erwartungen sehnsüchtig an ihn klammerte, in starke Arme eingehüllt, die mich vermutlich niemals hatten halten wollen und doch die Einzigen waren, welche mir mittels magischer Anziehungskraft Zuflucht versprachen, so irritierte mich doch nichts mehr als das sanft singende Gefühl von Erlösung, das eben jener Kontakt mir versprach. In einem Trauerschmerz, der ausweglos schien, ließ mich ausgerechnet Alexander Lightwood schmecken, dass die schwer aufzufindende Wärme der Welt mich doch noch immer nicht verlassen hatte. Obgleich ich ihn regelrecht in all meiner Verzweiflung darum bestahl, eben jene Wärme auf mich auszuwirken, so verwirrte und erschlug es mich umso mehr, dass irgendetwas tief in mir mich wissen lassen wollte, dass jener Moment von unnahbarer Richtigkeit war. Der Mann, der mir noch am selben Tag, Stunden zuvor, den eigenen Tod geschworen hatte – eine Drohung, die ich mit der undenkbarsten aller Unvernünftigkeiten beantwortet hatte: Mitgefühl – war es nun, der sich weigerte, meinem auf dem Silbertablett dargelegten Todeswunsch zu folgen; ausgerechnet jener Mann, der sich ohne Herz verkaufte, war es nun, der einen Wert in mir und meiner Existenz erkannte, welcher ihn nicht einmal darüber nachdenken ließe, all das eigenmächtig auszumerzen. Und kaum hatte er parallel zu dem rasenden Getrommel seines eigenen Herzens, dessen besänftigender Wirkung ich mit hellhörig klammerndem Gehör lauschte, gesprochen, dass er mich nicht töten würde, so erkannte ich erst in jenem Moment, dass dies alles gewesen war, das ich mir wünschte zu hören. Zum ersten Mal in meinem ganzen Leben hatte ich vermutlich eben jenes Mitgefühl und eben jene Güte geerntet, welche ich zuvor gesät hatte – und es fühlte sich heilsamer an, als ich es je hatte erahnen können. Ich hatte geglaubt, dass lediglich Stefan es war, dessen Arme diesen Schutz vor dem Dunkel zu bewirken vermochten, Arme, welche mir diesen wohl nicht länger gewähren wollten, weswegen ich fürchtete, ganz alleine in meiner inneren Dunkelheit hilflos unterzugehen. Doch die Arme Alexander’s eröffneten mir, zeitweilig auch zu meinem eigenen Leidwesen, dass die heilsame Rettung aus allen dunklen Tälern selten bloß einer einzigen Seele bestimmt war. Ironie des Schicksals oder auch je nach Betrachtungsweise Ironie meiner unbändigen Verzweiflung, dass ich mir in den Armen des Jägers einem kleinen Mädchen gleichkam, welches das verlorene Selbst im anderen zu finden versuchte. Alleinig sein niemals erdachter Sanftmut bescherte mir, so unfassbar lächerlich ich es doch auch fand, den Glauben daran, dass selbst in den dunkelsten Schatten Licht zu finden war, wenn man es doch erst nur wagte, Schritte in die unerhellten Abgründe hinab zu wagen. Während die Trauer um Emilia alles in mir zum Einsturz brachte, war es bloß die simple Banalität seines Halts, die mich von außen abschirmte und zusammen hielt, das Gerüst meiner schwermütigen Seele vor dem endgültigen Auseinanderfall bewahrte. In einer Welt, in der ein jemand, so entglitten und hassgetränkt wie er es war, eine solche Zärtlichkeit gegenüber eines Naturfeindes aufbrauchte, galt die Hoffnung als unleugbar. In einer solchen Welt konnte ich bestehen … wenn ich doch nur kämpfte. Dennoch erwischte ich mich dabei, all das bereits fatal einstürzen zu sehen, als er mich von sich löste und allem Anschein nach drohte, die kleine Seifenblase um sich selbst mit einem Male erbarmungslos platzen zu lassen … doch stattdessen … bahnte sich ein umso heftigerer Zustand der Intimität zwischen uns auf, alsbald ich zu meinem sichtlichen Unglauben seine sanften Hände an meinen feuchten Wangen spürte, mein losgelöster Blick ihm unmittelbarer Nähe entgegen blitzte wie einer langvergangenen Bekanntschaft, welche plötzlich wie aus dem Nichts am Ende des Straßenrands stand. Es war, als sprach mein Blick wortlos und doch unverkennbar deutlich kindlicher Unbeholfenheit: ‚Was machst du da?‘ Die Sehnsucht nach Wärme, der aufrührerische Trauerschmerz in mir und zu guter Letzt die blanke Furcht vereinten sich in meinem Ozeanblau – Furcht vor diesem einen Moment der Zärtlichkeit, an welchem es kein Zurück mehr zu geben schien, Furcht vor der Verantwortung, die es nach sich zog, einen Menschen fest in sein Herz zu schließen und nicht mehr gehen zu lassen. Ich wusste, was dies in meinem Fall bedeutete, wie sehr es mich um den Verstand bringen konnte. Und dennoch ließ ich es mit jeder verstreichenden Sekunde geschehen. In jeder folgenden Sekunde, in welcher ich einem Mann entgegen sah, den ich zuvor niemals erblickt hatte: Das wahre, tief unter all den Fassaden vergrabene Ich des Alexander Gideon Lightwood. Seine nun folgenden Worte, Laute, in denen sich doch so viel mehr verbarg, als sie bloß des Anscheins nach sprachen, dämmten die Furcht in meinem Blick kaum, nein, ganz im Gegenteil: Sie schürten sie. Er offenbarte mir, all die Zeit über in mir weitaus mehr gesehen zu haben, als er sich zuvor auch nur wagte preiszugeben; er offenbarte mir, dass er durch mich gelernt hatte; er offenbarte mir, dass ich seine Welt auf den Kopf stellte, ihm eine neue Realität erschuf, in welcher er fortan zu leben hatte. Eine Welt, in der nichts war wie es schien, eine Welt, in der Gut und Böse nicht länger klar trennbar waren, sondern einen fließenden Verlauf ergaben, eine Welt, in der Monster nicht länger Monster waren. Es ließ sich mir nur hoffen, dass dies jene Welt war, in der er leben konnte, eine Welt, die seine Furcht entschleunigte und ihn vom Gift des Hasses heilte. All die Gefühle in mir überschlugen sich zur Antwort auf seine Verheißung regelrecht, meine Lippen öffneten sich zögerlich, doch die Worte von Überwältigung wagten sich gar nicht erst zu ihm hinaus. Stattdessen senkte ich nun schmerzlich den Blick und verschloss mich gegenüber der Zärtlichkeit seiner warmbraunen Augen, schirmte mich für einen hilfeversprechenden Moment ab von jenen Gefühlen neugeborener Zuneigung, die sich im Inneren wie flüssiges Gold heißtropfend über das trauernde Blaugrau in mir hermachten. Er wischte meine Tränen beiseite, so versprechend sanft und fürsorglich, dass es nicht länger Sinn ergab, sollte er deren Verantwortlicher sein. Den meinen Blick noch immer gesenkt, mich ganz den inneren Gefühlen zuneigend, die einem Wechsel aus eiseskalter und feuerheißer Dusche ähnelten, spürte ich nun plötzlich, wie er mich vor sich erhob – und trotz all des kalten Leids in mir war ich nicht dazu imstande, darüber hinweg zu fühlen, wie sehr sie mir gefehlt hatten, jene Gesten des Umsorgtseins, welche mich an meine sonnig helle Kindheit zurück entsannen. Ein kleines Mädchen, wie auch ich einst eines war, erlebte seine ganz eigenen Dramen, unvergleichlich mit dem Gewicht, das einer erwachsenen Frau wie mir auf den Schultern lastete – und doch war die Intensität des Kummers eines eben solchen Mädchens unbeschützt, jedoch bloß bis zu dem Moment, an welchem die Großen ihr all die Besserung der großen weiten Welt versprachen und das Vertrauen zu jenen all diese kleinen Brücken baute, die eine vollkommene Kindheit so unglaublich schmerzlich sehnsuchtswürdig machten. Doch genau so fühlte ich mich, zurück versetzt, an diesem einen schicksalsgleichen Tag. Gar entmachtet von der Dankbarkeit, die ich empfand, ließ ich mich von Alexander auf weichem Untergrund betten, während ich mich doch fragte, was das hier eigentlich werden sollte. Ich hatte vergessen, wie es sich anfühlte, mit dem eigenen Schmerz nicht länger alleine zu sein – es überrannte mich, ließ mein Herz zusehends anstrengender Raschheit Blut in meine Adern pumpen. Nun geschah etwas, das ich zwar hätte kommen sehen sollen und doch all meine Erwartungen übertrumpfte: Alexander, er … er legte sich neben mich, zog mich an sich … er gestattete es meinem Kopf, an seiner Brust Frieden zu finden, er … er legte die Hand an meine Seite, ich … ich … mir wurde heiß. Durch erstarrte, geweitete, gebannte Augen begegnete ich seinem von oben auf mich einher fallenden Blick, während mich die Zurückführung auf Worte erreichte, an die ich mich kaum mehr erinnerte, sie noch zuvor gesprochen zu haben. Dass er mir tatsächlich zustimmte in dem, was ich sagte, ließ mich fühlen und glauben, ihn verletzt zu haben. Wie konnte ich? Wie konnte ich jenen verletzen, der sich meiner Trauer annahm, nachdem ich drohte alles und jeden zu verlieren? Oder bereits verloren zu haben … „Du bist kein Gift. Jedenfalls gerade … da fühlst du dich nicht wie Gift an …“, drang kleinlaut aus mir hervor, die Augen fest verschließend an seiner Brust, der ich allmählich mehr und mehr mein Gesicht zuwendete, in dem unterbewussten Wunsch, nicht gesehen zu werden. Nicht dabei ertappt zu werden, sich einem Fremden gar nicht mal so fremd zu fühlen. So heilsam und doch so schmerzhaft wirkte seine Nähe auf mich ein, eine Nähe, die daran erinnerte, was ich nicht länger hatte und doch hätte haben können. Es fraß sich immer dringlicher in mich ein, dass es doch eigentlich Stefan war, von welchem ich mir eben jene Nähe ersehnte und es nagte doch so zehrend an mir, dass es sich trotz allem gut anfühlte. So gut, wie es sich nun mal anfühlte, wenn all die Felsen, an denen man ursprünglich Halt fand, von der frischesten Strömung mit sich gerissen worden waren und bloß noch ein einziger Fels in der Brandung ersichtlich schien, alles wonach es dem Selbsterhaltungswunsch schrie, um nicht selbst in der haltlosen Flut zu ertrinken. Seine Hand, streichelnd über meine Seiten, was er sich erlaubte, was sich dieses arrogante Arschloch heraus nahm, dass mir nicht schlecht wurde, dieser verdammte Mistkerl … dieser verdammte Mistkerl, dem ich durch inständiger zugekniffenen Lidern die Hand an die Schulter langte, an dem ich mich fest hielt, mein Verlobungsring im einflutenden Licht der Sonne prachtvoll erfunkelnd, ich von nichts angetrieben als der Angst, ansonsten hilflos verloren zu sein. Ich weinte, ich weinte das Blut aus meinem Herzen heraus, in diesem Moment hatte ich alles und doch nichts zur selben Zeit. Emilia, sie war fort, verschlungen von der Ewigkeit selbst, ein einstiger Lichtblick in meinem Leben kaltblütig erloschen – Stefan, auch er war fort, so sehr ich es auch liebte, dies zu leugnen, er war fort, nichts weiter als eine Hülle, eine seelenlose Puppe, eine Marionette in seiner Gestalt hinterlassend, all das ebenso alleinig wegen mir. Und plötzlich konnte ich die Worte Alexander’s so unleugbar tief und gewiss in mir spüren: ‚Ich bin wie ein Todesengel.‘ „Ohne mich wäre Emilia am Leben. Ohne mich wäre Stefan nicht der, der er gerade ist. Ich bin Gift“, hörte ich mich gebrochen auf seine makellose Haut nieder schluchzen, meine eigenen Worte mir das Herz zerfleischend, denn glaubte ich sie mir. „Ich wusste, dass du mehr bist als ein gewissenloser Säufer. Ich wusste bloß nicht, dass du es mir zeigen würdest. Du bist alleine und du hast Angst. Ich bin alleine und ich habe Angst. Große Angst“, reichten meine Worte vertraulich und doch im Gegensatz dessen verängstigt an ihn heran, gar eine kindliche, schutzlose Naivität aus jenen sprechend, meine Stimme zerfließend vor der geballten Emotion, die dahinter bebte. „Wir spielen eine Welt, in der wir es nicht sind … wir sehen uns um und sind zu zweit, statt alleine …“, fuhr ich tief nachdenklich und tränenbegleitet fort, Tränen welche sich Tropfen für Tropfen seiner Haut mitteilten. Ich fühlte mich meinem eigenen Selbst entglitten in eine Parallelwelt. Dieser fremde Ort, diese spärliche Hütte, die mich für üblich ein kritisches Naserümpfen gekostet hätte, nun jedoch weitaus mehr versprach als die prächtigste Villa. Zögerlich wand ich meinen Blick zu ihm hinauf, gar verspielt und doch verschüchtert aus meinem Versteck heraus lugend, um mitanzusehen, wie seine Augen sich an der Decke verloren oder vielmehr an den Bildern, die er sich fern dahinter liegend versprach. „Das ist alles so verrückt, so verrückt …“, entglitt meiner Stimme schwächlich, während ich jeden seiner einher zuckenden Blicke hindurch meiner Tränennässe beobachtete, als ließe sich daraus lesen. Als erhoffte ich mir Geschichten daraus.
@Alexander Lightwood


In the end we'll fall apart just like the leaves change in colors

And then I will be with you, I will be there one last time now

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#6

RE: Waldhütte von Alexander

in Wald & See 25.02.2017 17:22
von Alexander Lightwood • 205 Beiträge

Die Worte Carolines die sie mir am Boden vor dem Waschbecken entgegen warf, wie Pfeile direkt in mein zuvor noch so trostloses Herz, hallen noch immer in meinem Kopf herum, während ich an die Decke starre, die Holzlatten betrachtend, die alle schief und schräg dort angebracht wurden. Meine Antwort auf ihre treffenden Worte ‚Du bist reinstes Gift, Alexander!‘ waren den tiefen meiner Seele entsprungen, Worte die zuvor niemand hatte hören dürfen, Worte die von solch kostbarer Ehrlichkeit waren, dass sie mich selbst, nachdem sie schon Minuten lang gesprochen waren, noch überraschen. Ist das der Alexander Gideon Lightwood der ich sein soll? Der Alexander Gideon Lightwood der ich einst in Kindertagen war? Der sich versteckt hatte vor der Grausamkeit der Welt? Der sich zurückzog, immer ein Stück mehr, immer dann wenn er versuchte seine Seele vor einer erneuten Verletzung zu beschützen? Fakt ist, dass ich ihren Worten noch immer beipflichte, denn ich bin das pure Gift für jeden der sich nur in die Nähe meines Herzens wagte, denn ein jeder der die normalen Grenzen von menschlichem Miteinander überschritten hatte, der fand sich in der Vergangenheit stets auf dem Weg ins Jenseits wieder, herausgerissen aus dem Leben, aus meinem Leben. Doch je länger ich an die Decke starre und ich mich der Unterhaltung die voran ging hingebe, da verschwimmt der Anblick der Holzlatten und verfestigt sich zu der erst zuvor entstandenen Situation, vor meinem inneren Auge da sehe ich ihren Blick, die ozeanblauen Augen die mich erschrocken und unbeholfen ansehen, als sie meine Hände an ihren Wangen gespürt hatte. Eine Geste die ich aus zahlreichen Liebesschnulzen kannte und sie sich mir ins Gedächtnis gebrannt hatte, auch wenn dies meinem Verstand scheinbar entgangen war. Sehnsucht, Trauer und Furcht spiegelten sich in ihrem Blick, blickten mir in Form ihrer ozeanblauen Augen entgegen. All das sehe ich nun vor mir, während sie neben mir liegt, ihre Tränen meine Brust benetzen als habe der Tod Emilias einen Staudamm tief in ihrem inneren zerstört, der nun mit unerschütterlichen Wellen voller Tränen auftrumpft, die alle ihren Weg direkt auf meine Brust finden. Meine Hand an ihrem Rücken die in langsamen, zarten Bahnen auf und ab gleitet, sie wirkt beständig, auch wenn mein hassgetrübter Verstand lautstark brüllt sie wäre fehl am Platz. Die Bilder die kurz zuvor entstanden sind, sie verschwimmen wieder, geben den Blick auf die hölzerne Decke zurück, als Caroline diesen intimen Moment der Zweisamkeit zweier Feinde mit ihren Worten unterbricht, meine zu vorigen Worte damit beantwortet. Nein, sie beantwortet sie nicht nur, sie widerspricht ihren eigenen, sie widerspricht dem Glauben in mir ich sei das pure Gift. Als könne mein Herz nicht noch einen drauflegen, beginnt es ähnlich eines Trommelwirbels zu poltern, während sich mein Blick nicht herabsenkt, sondern weiter die schrägen Linien des Holzes betrachtet. „Gift fühlt man nicht, Gift ist schleichend. In dem einen Moment da fühlst du dich frei, ausgelassen, so voller Leben. Dann schlägt das Gift zu, unbarmherzig, gnadenlos. Ich bin das pure Gift für jeden, du merkst es nur noch nicht, weil du echtes Gift auch erst spürst, wenn die Zeit des Todes naht…“, hauche ich gegen die Decke, leiser werdend, mit jedem Wort das ich verliere. Niemand hatte es geahnt, niemand aus den unzähligen Leben in die trat hatte es kommen gesehen, das mit dem ersten meiner Schritte das Gift unweigerlich in ihre Leben überging und zuschlug in Momenten in denen es niemand erwartet hätte. Diese Erkenntnis habe ich leider viel zu spät eingesehen, da waren schon etliche Seelen ins Licht geschritten, auf eine Reise ohne Wiederkehr. Nach dieser Erkenntnis, da habe ich niemanden mehr auch nur in meine Nähe gelassen, niemandem erlaubt die Grenzen zu überschreiten die ihnen das Leben kosten könnten, bis die Lightwoods kamen. Die Lightwoods nahmen mich auf, als niemand mich in seiner Nähe wollte, sie sahen etwas in mir was ich selbst nicht sah. Allen Vorurteilen und Redereien zum Trotz wurde aus dem Waisenjungen Alexander ein Lightwood, der stolz seiner neuen Eltern. Damals dachte ich noch ich hätte den Fluch, das Gift das ich aussähe besiegt, doch das war eine fatale Fehleinschätzung von mir. Denn auch die Lightwoods wurden mir genommen auf eine Art wie es mir bis heute niemand glaubt. Stattdessen bin ich es den sie als Mörder, als Dieb, als Heuschler bezeichnen. Alec der nur hinter dem Geld her ist, Alec der nur deren Tod wollte, Alec der aus Habgier mordete, während der eigentliche Mörder eine blutrünstige Bestie war. Aber jetzt, jetzt begehe ich gerade einen weiteren Fehler, einen Fehler den ich eigentlich niemals wieder hatte machen wollen: Ich lasse Caroline die Grenzen überschreiten, ich lasse sie an mich heran, näher als je einen Menschen sonst. Was wenn es längst zu spät ist? Was wenn sie längst das Gift abbekommen hat das sich Alexander Lightwood nennt? Diese Frage schaffe ich nicht zu beantworten, denn im selben Moment in dem diese Frage sich in meinen Gedanken verfestigt, spüre ich die Hand Carolines an meiner nackten Schulter und einen erneuten Schwall von Tränen auf meiner Haut. Zuerst schießt mir nur ein Gedanke in meinen Kopf: Ich bin zu weit gegangen, doch je länger ihre Tränen fließen, desto deutlicher wird, das genau diese Geste von mir das war, was sie in diesem Moment braucht. Die Hand an ihrem Rücken drückt sie wie von alleine näher zu mir, den Halt gebend den sie in dieser Situation so dringend braucht. Das wichtigste in solch einer Phase des Trauerns ist die Erkenntnis, dass man sie nicht alleine Begehen muss, das jeder Schritt in den Abgrund begleitet wird von einem Schritt im Einklang, der einem Halt, Sicherheit und eine helfende Hand verspricht. Da spreche ich leider Gottes aus Erfahrung, auch wenn ich mir früher niemals eingestanden hätte, dass ich so etwas wie Einsamkeit überhaupt empfinden könnte, dass meine Empfindungen überhaupt in solch eine Richtung reichen. Das ich meinen Blick in all der Zeit nicht einmal von der Decke abwende ist ein Schutzmechanismus, denn wenn ich mich nur noch ein einziges Mal in diesen ozeanblauen Augen verlieren würde, wäre das zu viel für meine erst kürzlich aufgeflackerte Seele. Denn ein jedes Mal wenn ich in deren Tiefen zu ertrinken drohe, dann versammeln sich all meine Emotionen, gut wie schlecht, an einem Tisch, an dessen Kopf mein Verstand und beginnen eine lautstarke Diskussion, die fast immer in einem Krieg der Emotionen endet. Doch dazu lasse ich, will ich es nicht mehr kommen lassen, nicht jetzt, nicht in dieser Situation, deshalb gilt mein Blick den Mustern des Holzes an der Decke, nur um nicht wieder um das Überleben meines Inneren kämpfen zu müssen. Die Stille, die nur durch die Tränen und das Schluchzen ab und an zerrissen wird, zerbricht als Caroline abermals das Wort ergreift und nun sich als das Gift bezeichnet als das sie mich zuvor noch betitelt hat. Aber damit nicht genug, sie redet weiter, mit ein paar Pausen, doch nie so lange, das ich Antworten könnte, deswegen bleibe ich stumm liegen, sauge jedes Wort in mich und meinen Gedankenpalast auf, während sie nur den monotonen Klang meines Herzschlages zu spüren bekommt, gepaart mit der Hand an ihrem Rücken. ‚Ich wusste, dass du mehr bist als ein gewissenloser Säufer.‘ Dieser Satz bohrt sich in meinen Kopf ein, hallt umher. Das ich mehr bin als ein seelenloser Trunkenbold wollte ich eigentlich niemandem in dieser gottverdammten Stadt offenbaren, ich wollte hier nur meine Rache üben und nun habe ich den Alexander gefunden den ein jeder in mir gesehen hatte. Sowohl meine Mutter, Mrs. Hastings, die Kingsleys, Kyle und auch die Lightwood, sie alle haben den Alexander hinter der Fassade erblicken können, sein alle haben auf ihn gesetzt und mussten mit ihrem Leben bezahlen. Will ich wirklich, dass der Fluch auch auf sie übergeht, sie auch das zeitliche segnet, nur weil ich ein verdammter Todesengel auf zwei Beinen bin? Als Caroline mit ihren Worten fertig ist, die Stille wieder einkehrt und einige Minuten verstrichen sind, ohne eine Antwort von mir, spüre ich wie ich angesehen werde von zwei stechenden ozeanblauen Augen, die förmlich um eine Antwort bitten. Langsam senke ich meinen Blick und als meine braunen Augen auf ihre ozeanblauen Augen ähnlich eines Blitzschlages treffen, wird mir mit einem Mal heiß und kalt zugleich. In mir zieht sich alles zusammen, sämtliche Bewegungen scheinen unmöglich, allein durch diesen Blickkontakt, bei dem Eintritt was ich die ganze Zeit vermeiden wollte:
In meinem Kopf gleicht es schlagartig einem Meetingraum, ein großer Tisch, daran viele verschiedene Personen, an dessen Kopf eine einzige, die meinen Verstand darstellen soll. ‚Wir müssen uns aus dieser Situation retten. Sie ist der Feind! Habt ihr unsere Rache vergessen?‘, beginnt der Verstand unweigerlich auf die anderen einzureden. ‚Sie ist traurig, am Ende und braucht jemanden der ihr zur Seite steht. Wie gern hätten wir einen gehabt der so zu uns ist?‘, antwortet die Trauer, gefolgt von der Wut die durch die Reihen bloß ‚Sie ist eine von ihnen! Sie haben unsere Eltern auf dem Gewissen!‘. ‚Wir müssen für sie da sein!‘, protestiert mein Beschützerinstinkt. Langsam aber sicher erheben sich alle guten Emotionen und lehnen sich auf. Nach außen hin sieht es so aus als würde ich mich gänzlich in einer Art Trance befinden, ausgelöst durch den Blickkontakt zu ihren Augen. Währenddessen erhebt sich das Herz in mitten aller guten Emotionen, ein kleiner Mensch, ähnlich eines Zwerges und sagt, was längst gesagt werden musste: ‚Wir sind so lange eingesperrt gewesen, in Ketten gelegt worden, von der Oberfläche verdrängt. Geschehenes ist geschehen. Wir können Rache nehmen ja, doch nicht an Caroline, die uns scheinbar besser versteht als wir uns selbst. Wir sind haben jetzt die Oberhand, legen unsere Ketten ab und verhelfen unserem Alec wieder zu seinem alten Ich. Wenn er es denn aus vollstem herzen will!‘
Es dauert ein wenig bis sich der Kampf in mir lichtet, bevor ich meine Lippen öffnen kann, auch wenn noch kein klarer Gedanke fähig ist zu existieren. „Du bist nicht für die beiden verantwortlich. Du bist kein Gift Caroline, denn dann würdest du nicht das Gute im Menschen sehen, dann hättest du nicht das Gute in mir gesucht…“, beginne ich, während sich meine freie Hand zu ihrer Wange wagt. „Stefan ist selbst an seinem Unglück schuld. Er hat dich quasi auf dem Silbertablett stehen lassen, unangerührt. Meine Meinung über ihn ändert sich nicht und auch nicht die das du etwas besseres, jemanden der dir die Welt zu Füßen liegt. Ich weiß nicht viel von der Liebe, ich verstehe sie nicht. Vielleicht weil ich nie welche erfahren habe, also keine romantische Liebe, so wie du. Aber ich sehe und spüre das Stefan dir nicht alles geben kann was dein Herz verlangt…“, ich schließe meine Augen, nur um von ihrem Bann loszukommen, doch als ich meine Augen wieder öffne, da finde ich mich genau dort wieder wo ich zuvor war. Gefangen in dem Ozeanblau ihrer Augen, während ich um das Überleben kämpfe. Doch alles in mir, alles was nun die Oberhand hat, schreit danach ihr zu zeigen wie es in mir aussieht, dass mehr in mir steckt als Hass, als Rachegelüste, als Wut, weswegen ich ihr die weiteren Tränen wieder von der Wange wische, ganz beiläufig und doch so gewichtig. „Ich hätte auch nie gedacht, dass ich es jemandem zeigen würde. Einfach weil ich mir selbst vorgemacht habe das diese Seite gestorben ist, mit all den Seelen die ich ziehen lassen musste, immer ein Stück mehr…. Sag nicht…du bist…“, höre ich mich sagen, gar hauchen als meine Hand ihr eine Strähne ihres blonden, goldenen Haares zurück streicht, nur um einen besser Blick auf sie zu haben. „Du bist nicht alleine. Ich mag zwar ein Fremder sein, doch du bist nicht allein, nicht wenn du nicht alleine sein willst…“, hauchzart streicht meine Hand über ihre Wange, bis unter ihr Kinn, nur um dieses anzuheben, ihr noch besser in die Augen sehen zu können. Mein Herz schenkt diesem Moment einen applauswürdigen Trommelwirbel, den Blick ihr zugewandt, mit braunen verheißungsvollen Augen in ihre ozeanblauen Augen einschneidend. „Wenn ich weiter in deine Augen sehe, dann kann ich für nicht garantieren. Es fühlt sich an als würde ich um das nackte Überleben kämpfen, da ich drohe in den Fluten deiner ozeanblauen Augen zu ertrinken. Doch ich glaube wenn ich diesen Moment beende nur damit ich nicht ertrinke, dann wäre dies nur eine weitere Sache die ich für den Rest meines Lebens bereuen werde. Ergibt das für dich auch nur annähernd Sinn?“, ein kleines Lächeln ziert meine Lippen als diese Worte ausgesprochen sind, ich sie nicht mehr zurück nehmen kann. Auch wenn diese Worte einen kleinen Teil meiner Gedanken offenbaren, so offenbaren sie es ihr, der Frau die seit meiner Ankunft mein ganzes Sein vollkommen auf den Kopf gestellt hatte. Doch ist das wirklich gut? Will ich wirklich ihr Leben gefährden so wie das aller anderen? Emilia hatte ihr Leben verloren, will ich wirklich Caroline ebenso sterben sehen? Bin ich wirklich so egoistisch? Von jetzt auf gleich wirkt mein Blick nicht mehr von Weichheit und Reinheit geprägt, sondern nachdenklich. Ist das hier wirklich richtig? Was ist denn in dieser Welt noch richtig oder falsch? „Caroline..:“, beginne ich zögerlich, eine weitere zuvor ungesehene Seite von mir. „Du hast nun die Wahl. Wir können hier liegen bleiben, die Trauer teilen und einfach weiter diesen intensiven Augenkontakt genießen. Oder….oder du rufst Stefan an, schließlich ist er derjenige den du in deiner Nähe haben willst nicht ich…“, kaum sind diese Worte des Zweifels ausgesprochen, kann ich die reue deutlich in meinem Gesicht spüren, jene die sie nun ungefiltert aus meinen Augen ablesen kann, währen alles in mir ‚Du Idiot‘ brüllt, weswegen mein tiefstes inneres zum letzten, verzweifelten Schritt ausgreift, der ihm noch bleibt. Langsam beuge ich mich nach unten zu ihr, während meine freie Hand wieder an ihrer Wange ist und diese zu sich zieht. Es bahnt sich etwas so gedankenloses, etwas so gefühlvolles an, was sich durch fast nichts hätte stoppen lassen, außer durch mein Gewissen, welches wie jedes Mal in den unpassensten Momenten alles aus der Bahn wirft, doch hier und jetzt ist mein gewissen gerade der Retter vor etwas unüberlegtem. Kurz bevor ich ihr also näher bin als irgendwem je sonst, kurz bevor mein Herz unter den emotionalen Schlägen zu explodieren droht, halte ich inne, nur um mich schlagartig wieder von ihr zu entfernen, den Hinterkopf ins Kissen pressend, zieht sich auf meine Hand zurück, während ich wieder zur Decke starre und nur ein leises ‚Was tust du nur?‘ meinen Lippen entkommt. Eine Frage die so simpel und doch so vielsagend ist, weil nicht klar ist ob ich sie mir selbst stelle oder an Caroline und ihre ozeanblauen Augen.

@Caroline Forbes


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#7

RE: Waldhütte von Alexander

in Wald & See 26.02.2017 20:33
von Caroline Forbes • 882 Beiträge

Immer wieder betrachtete ich jenen Moment surrealer Intimität zwischen mir und Alexander wie von ganz weither, wie entfremdet von der Caroline Forbes, als welche ich für üblich die Welt bestritt – in seinen Armen, da fühlte ich mich wie eine andere und ich vermochte nicht zu sagen, wer dieser Jemand war, doch bloß, dass es sich in ihrer Haut weitaus besser anfühlte. Offen gesagt beschenkte mich Alexander um ein Gefühl, das ich allen Anscheins nach viel zu lange nicht mehr empfunden hatte: ein Gefühl von absolut gefährlicher Zugehörigkeit, ein Gefühl des Aufgehobenseins und ja, so sehr ich meinen Körper auch für jenes unvermeidliche Prickeln verfluchte, ein Gefühl schieren Feuers heißlodernd in mir. Kaum wagte ich es, seinen intensiven Blicken standzuhalten, denen ich mit gebannter Faszination, doch zugleich auch sich nach und nach heraus kristallisierenden Unbehagens gegenüber mir selbst entgegen trotzte. Es war, als rissen seine Worte – die vermutlich ersten Worte vollkommener Ehrlichkeit, die er mir schenkte, all diese schwarzen Schmetterlinge, die mir aus seiner entzweiten Brust entgegen stiegen, damit sie in meinem Verständnis ihr Zuhause fanden – die letzten Mauern zwischen uns ein, so mächtig und so wirkungsvoll nahm ich deren Wahrheit tief in mich auf, fühlte mich gar lächerlicherweise als etwas ganz Besonderes, seine Innenwelt mit ihm teilen zu dürfen. Er versprach mir, mir die Furcht vor der Einsamkeit zu rauben, in seinen wohltuenden Armen Sicherheit zu finden, wann immer mich mein Leben übermannte, ja, ausgerechnet er wollte mein rettender Ast in den stürmischen Fluten meiner Welt sein, nachdem alles andere nach trostloser Vergänglichkeit schmeckte. Ich glaubte ihm, glaubte ihm jedes Wort, das mit meinem raschen Herzklang ein harmonisches Duett der Verbundenheit tönte und sich unausweichlich warm und verführerisch um meine Haut legte, welcher erst in diesem Augenblick ersichtlich wurde, dass sie von jener zärtlichen Aufmerksamkeit bis in alle Tage überleben konnte. Jung fühlte ich mich in seinen Armen, blutjung, berauscht von dem beflügelnden Euphoriegefühl, von eben jenem sündhaften Apfel zu kosten, der einem sinngemäß verwehrt worden war. Entgegen jeglicher Logik war ich meinem Alltag entstiegen, bloß um in der Sicherheit einer bescheidenen Holzhütte im Herzen des Waldes eine von zweisam einsamen Außenseitern zu spielen, die Schatten der Welt, die uns für üblich gleichermaßen in sich gefangen hielten, aus beschützter und gegenseitig stärkender Distanz ganz gewissenlos an uns vorüber ziehen lassend. Ich fühlte mich jung in seinen Armen, denn war er ein Abenteuer, ganz gleich, ob ich lediglich in seinen Armen lag und er mir all die Geheimnisse hinter seinen feurigbraunen Augen offenbarte, es fühlte sich schlichtweg abenteuerlich an, frisch, berauschend – und für diesen einen Moment, in welchem dem so war, konnte die Welt um uns herum so laut nach uns brüllen, wie sie nur mochte, es zählte nicht. Denn wir waren stur und unzähmbar. Sollten uns die Geister der Erwachsenenwelt doch jagen, sollten sie doch in niederreißenden Sturmgewalten über unser Versteck einher preschen, all jene Verpflichtungen und Erwartungen, ein guter Mensch zu sein und das Richtige zu tun, sie konnten über das ganze Land einher fallen und doch blieben wir unveränderlich. Genau so wollte ich sein: frei wie der Wind, frei wie er, der heimatlose Trunkenbold, den ich noch zuvor um dessen Nomadenhaftigkeit und Ungebundenheit belächelt hatte, nun allerdings regelrecht beneidete. Bewunderung, auch sie stach aus meinem sonderbaren Blick hervor, welcher sich gar tiefer und tiefer in seinen Augen verlor, als lockten mich seine von Vertrauen und Sanftmut nur so umworbenen Worte tiefer und tiefer in sich hinein, bis letztlich sämtliche Ausgänge zu meinem Rücken sich auflösten. So jedoch bloß der Traum, die wunderschöne Illusion in mir, die es mir für einen kurzweiligen und doch ewigscheinenden Moment gestattete, hinter der Toren seiner Augen eine schutzversprechende Welt zu erblicken, welche bloß für uns beide bestimmt war, mich, dem Mädchen, das ihr Herz und sich selbst an jene verlor, welche es nicht zu würdigen wussten und er, der wahrhaftige Liebe nie hatte schmecken dürfen. Hindurch all meines Schmerzes schien das Licht so zum Greifen nahe, böse liebfunkelnd aus seinem mich haltlos in sich aufsaugenden Augenpaar, denn fühlte ich, was er zu geben hatte; kein geringeres Gefühl als das, welches ich in Massen zu verschenken hatte, jedoch scheinbar ein jedes Mal in die Leere griff … Verbundenheit. Der Fluss meiner Tränen stoppte schlagartig, so wie er mir nun zärtlich über die Wange strich und jeder Milimeter, welchen er so zärtlich ertastete, ein magisches Gefühl von Märchenhaftigkeit in mir nachglitzern ließ; er ließ mich fühlen, dass meine Trauer etwas bedeutete, während ich doch sämtliche vergangenen Monate damit zugebracht hatte, mich in Einsamkeit den Gefühlen des Kummers zu stellen, den ich mir doch glaubte, ganz selbst verschuldet zu haben. Das Mädchen, das gelernt hatte, ihre Tränen zu verstecken, da jene sich kein Anrecht auf den eigenen Schmerz gebührte, wurde erstmals seit viel zu langer Zeit in dem gespiegelt, was sie fühlte, schon so lange mit sich trug, ein jedes Mal frisch überlächelnd hinter den perfekten Lipglosslippen. Die hoffnungslose Träumerin, die nach ihrer märchenhaften Junihochzeit ausgriff, welche gar unerkenntlich sternenfern am Horizont des Ungewissen geschrieben war, glaubte ertasten zu können, wie leicht es doch stattdessen sein konnte; wie heilsam es doch war, um Verständnis und Wertschätzung nicht länger waffenlos kämpfen zu müssen, sondern sie in den schenkenden Armen eines anderen wieder zu finden. Alexander Gideon Lightwood, kein geringerer als dieser anfänglich so unausstehlich geglaubte Provokateur, war es, der mich überhaupt erst daran zurück entsann, wie unbeschreiblich beflügelnd jenes Gefühl der tiefseelischen Nähe war, um das ich bereits jahrelang vergebens kämpfte. Alles, wonach es meinem Herzen getrachtet hatte, vereinte sich ungesprochen zwischen all seinen gewichtigen Worten; alles, was ich bereits für unerreichbar geglaubt hatte, lag ähnlich eines wohlverpackten Geschenks unangetastet vor mir. Alles, was ich tun musste, war doch bloß, danach auszugreifen … doch so leicht es schien, sich dem hinzugeben und in ihm all das zu finden, das ich vergebens in meinem Verlobten suchte, auch wenn es nur für jene eine, verhängnisvolle Nacht war, so unerreichbar war es dennoch. Die Caroline, welche ich in seinen Armen sah, glich einem ebenso tolllustigen Hirngespinst wie all jene Abenteuer, welche ich in den Tiefen seiner Augen glaubte erkannt zu haben. Denn als er nun erstmals wieder Stefan erwähnte und sein Vorschlag, seine fatale Bitte um eine unmittelbare Entscheidung, wenn sie sich bloß auch auf das Hier und Jetzt bezog, mich ereilte, zerschellten all die bunten Bilder in den Tiefen seines Augenbrauns mit einem Male an der Realität. Ich war nicht dieses Mädchen, das nichts zu verlieren hatte, ich war nicht jene Caroline, die ohne Rücksicht auf Verluste alles hinter sich ließ, wovon sie nur träumte, bloß für jenen einen Höhenflug, in dem ich mich der trügerischen Hoffnung hingab, einem anderen etwas zu bedeuten. All diese Nähe und Intimität, die er mir darbot wie auf dem Silbertablett – mir, dem Mädchen, das ihr Leben lang mit allen Kräften um dergleichen zu kämpfen hatte – sie erschien mir zu greifbar, um wahr zu sein. So sehr es auch in mir zehrte, nach seiner erlösenden Nähe in ganzen Massen auszugreifen, heilsam sollte es bloß für den unmittelbaren Augenblick sein – doch ließe es sich mir unter keinem Umständen verzeihen, als eine Frau aufzuwachen, die ich niemals gekannt hatte, für einen lächerlichen Augenblick hatte sein wollen, jedoch all das war, was mir seit jeher fremd und zuwider gewesen war. Jede Faser meines an ihn geschmiegten Körper spannte sich zu steinerner Festigkeit an, Alarm schlagend all die Gefühle, die bereits tief in mir kochten, von mir abschirmen wollend, ein unmögliches Unterfangen, das mich fürchten ließ, ich konnte mich verlieren … für diesen einen, trügerisch leicht scheinenden Augenblick, der niemals hatte sein dürfen! Ich verfluchte mich dafür, mich in seinen Worten wieder zu finden, denn auch mir glich der alleinige Blick in seine Augen einer verhängnisvollen Reise ohne Wiederkehr – doch was mich zuvor vor Hingabe regelrecht unter seinen sanften Berührungen hatte zerfließen lassen, schlug nun in eiskalte Panik um, als er Stefan erwähnte. Stefan, welcher doch tatsächlich jener war, welcher mich unter den richtigen Umständen mit solchen Gefühlen der Geborgenheit beschenkt hätte. Stefan, dessen Sehnsucht nach ihm mich in die Arme eines Fremden jagte. So war ich nicht. „Man sagt, man bereut in der späten Zukunft nicht das, was man tat, sondern das, was man nicht tat …“, wehten meine noch zuvor auf ihn einstimmenden Worte erst Sekunden später so schrecklich säuselnd an mich heran, mir deren gesamte Fatalität bewusst machend. Wer war diese fremde Frau, die dies sprach, während sie sich an diese fremden Arme klammerte? Doch selbst dann, als mich Alexander vor jene bodenlose Wahl stellte, vermochte ich mich nicht zu lösen, so sehr war ich dem Bann in seinen schutzspendenden Worten bereits verfangen. Die alleinige Vorstellung, zwischen Stefan und Alexander entscheiden zu müssen, spaltete Realität und blanke Fantasie in mir zu zwei kriegerischen Fronten – ich wusste, dass Stefan unmöglich dazu in der Lage wäre, mir im jetzigen Augenblick das zu bieten, das mir Alexander versprach, doch was noch vielmehr zählte als die kurzweilige Zuflucht aus der Einsamkeit war die simple Gewissheit, fortwährend in den Spiegel schauen zu können. Niemals war ich auch nur in ähnlicher Form egoistisch gewesen, wie ich es früher oder später durch einen jeden Mann in meinem bisherigen Leben erfahren hatte; ein jedes Mal traf ich meine Entscheidungen über das eigene Wohl hinweg, kämpfend für Schlachten, die bereits geschlagen schienen, mich selbst und die unleugbarste Realität gekonnt belügend. Doch so schwach ich auch gegenüber der Anziehungskraft des Südländers verblieb, meine Lippen sich trotz der unüberhörbar heftig in mir pochenden Gefahrenbereitschaft sich zu ihm hinreißen ließen, führend durch seine Hand an meiner Wange, welche jedoch angesichts der automatischen Hinneigung zwischen uns als regelrechtes Stilmittel erschien, so war die Furcht vor dem Mädchen, das sich frischen Träumen öffnete, mit jedem verhängnisvoll annähernden Milimeter realer als je zuvor. Kaum erreichte mich die prickelnde Wärme seines Atems auf meinen ihm unmittelbar zugeneigten Lippen, da erschauderte ich merklich, das Ozeanblau meiner freiliegenden Seele alleine durch das Mögliche schwer erschüttert. So war es, als entschwerte es mein Herz um tausendschwere Gewichte, nun da er den Zauber der Sünde genauso schnell unterbrach, wie er sich aufgetan hatte – gerade in jenem Moment, als ich drohte, mich selbst daran zu verlieren … ‚Was tust du nur?‘ war die Frage, die er durch den Raum gleiten ließ, so hoffnungslos kopfzerbrochen. Obgleich er es ahnte oder nicht, hatte er für uns beide gesprochen. „Du … du bist kein schlechter Mensch und du verdienst … nun ja, all das …“, zwang ich mich, noch immer losgelöster, emotionaler Schockstarre aufgrund dessen, was beinahe tatsächlich geschehen war, meinen gerade in letzter Sekunde bewahrten Standpunkt zu verteidigen, während bereits das folgende Entziehen seiner Arme zur Genüge sprechen sollte – bereits jetzt bedauerte ich um den Verlust seines Halts, die Zwiegespaltenheit in mir kaum ein Geheimnis, alsbald ich ihm gegenüber kniend verblieb. Meine Erklärung, welche hatte besänftigend wirken wollen, sollte mir doch womöglich dienlicher sein als ihm selbst, so entglitt mir jene parallel zu wehmütig gesenkten Lidern: „… aber wir machen uns etwas vor. Wir sind … nichts als einsam und verzweifelt … einsame Seelen, wildfremde, einsame Seelen, die zufällig in das Leben des anderen gestolpert sind und doch nicht für die Welt des anderen bestimmt sind. Ich liebe Stefan – und irgendwann wirst selbst du verstehen, was das bedeutet. Der einfachste Weg ist selten der Richtige. Du bist ein gutaussehender Mann; jemand wie du bekommt doch alles, was er will.“ Schmerzhaft brannten jene Worte in meiner Kehle, gefolgt von einem schweren Seufzen, das nichts als der Anstrengung galt, die ‚das Richtige‘ zu tun, nach sich zog, sowie dem Verteufeln der eigenen Dämlichkeit und Unfähigkeit, in den bedeutendsten Situation auch nur ein einziges Mal das Richtige zu sagen. Es war, als saß ich ihm auf Kohlen gegenüber, so umgab sich meine losgelöste Ausstrahlung bereits mit dem Wunsch des Fortlaufens, während doch eine undefinierbare Übermacht mich an ihn gebunden hielt, kaum mit dem Verstand greifbar und doch intensiv emotional. Während mein Blick es nun wagte, zu ihm empor zu schlagen, sah jener sich gezwungen, Abschied von all den Fantasien dessen, was in einer Parallelwelt vielleicht hatte sein können, zu nehmen – mein Ozeanblau zu ihm sprechend wie zu einem alten und ganz besonderen Freund, kaum deutbar, ob ich hierbei mich oder ihn bedauerte. „Hoffentlich kommen wir uns niemals wieder in die Quere“, hörte ich mich wohlgewollt sprechen, plötzlich und hart wie ein Peitschenschlag, und gerade zu der Sekunde, als ich mich selbst so sprechen hörte, verstand ich, weshalb ich selten in den Genuss kam, ‚die Eine‘ zu sein. Ursprünglich waren meine Worte dazu gedacht, meine Hoffnung auf eine positive Koexistenz auszudrücken, doch glich deren tatsächliche Auswirkung einem kaum anders zu deutenden Schandfleck und dreisten Seitenhieb, über den ich bloß ausgelassen mit den Augen rollen konnte – derweilen selbst nicht einmal erkennend, dass dies die hochmütige Wirkung meiner Worte bloß noch zu beißender Abneigung verschärfte. „Leb wohl, Alexander …“, legte ich nun zerrissen und aufgewühlt nach, schnellstmöglich den Blick abwendend – und bereits in der nächsten Sekunde mittels Vampirgeschwindigkeit zur Tür heraus verschwindend, als sei all das hier niemals gewesen.

@Alexander Lightwood


In the end we'll fall apart just like the leaves change in colors

And then I will be with you, I will be there one last time now

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#8

RE: Waldhütte von Alexander

in Wald & See 27.02.2017 23:53
von Alexander Lightwood • 205 Beiträge

Ich kann es immer noch nicht so recht glauben, kann es immer noch nicht realisieren: Vor ein paar Augenblicken, da wollte ich…..ich wollte…..ich hätte tatsächlich. Durchatmen Alec, tief durchatmen. Meine Gedanken überschlagen sich, mein Herz es poltert weiter in meiner Brust, während ich gleichzeitig zu keinem klaren Gedanken fähig bin. Alles erscheint so wirr, so absurd, so unglaubwürdig, was ich auch glauben würde, wäre ich nicht selbst dabei gewesen, als alles in mir einfach abgeschaltet wurde und ich nur einen Drang hatte: Caroline zu küssen. Wie konnte das nur passieren? Ich hatte keine Gewalt mehr über meinen Körper, keine Herrschaft mehr über meine Gedanken, es war als wäre ich ferngesteuert, ein Roboter der nur auf Knopfdruck reagiert. Ihr Gesicht sehe ich jetzt noch vor mir, auch wenn ich an die hölzerne Decke starre: Ich kann die Erschütterung in ihren Augen noch deutlich vor mir sehen, den heißen, schweren Atem auf meinen Lippen spüren und die Versuchung schmecken zu der ich mich hinreißen ließ, einfach so, als wären wir jahrelange Vertraute, statt Fremde die sich kaum einen Tag kennen. Soll ich froh sein das ich es abwenden konnte? Oder eher traurig das mir dieses Gefühl ihrer Lippen verwehrt blieb? Das einzige was ich gerade fühle ist das schwere Herz in meiner Brust, das langsamer schlägt als zuvor, das gestoppt hatte als ich nur Millimeter von ihren Lippen entfernt war. Wie ein jämmerlicher Feigling habe ich einen Rückzieher gemacht, einfach weil es sich nicht wie das Richtige angefühlt hatte. Oder doch? Mein Herz es schlug wie wild, als würde es Bitten und Betteln, nur um diesen Moment erleben zu dürfen, während mein Verstand just in dem Moment die Schwäche meines Herzens ausnutzte um die Oberhand wiederzuerlangen, nur um diesen Moment der Intimität, der nie dagewesenen Zuneigung, zu unterbrechen. Ihre ersten Worte seit dem beinahe Kuss, sie erscheinen wie eine Entschuldigung, wie eine Abfuhr in Anbetracht unserer Situation. „Ich bin ein schlechter Mensch, Caroline. Das war ich schon immer. Ich verdiene wahrlich nicht das hier, ich verdiene es nicht, dass du hier bist. Ich hätte den Tod verdient, nicht du…“, beginne ich zu reden als sie sich aus meinen Armen entzieht, ich den sanften Druck ihres Kopfes nicht mehr auf meiner Brust spüren kann, als sei ein Teil von mir entrissen worden. Zeitgleich mit den Worten ‚Ich verdiene wahrlich nicht das hier…‘ betrachten meine Augen sie von oben bis unten und es wird deutlich, dass jener Satz ihre Wenigkeit meint. Ich verdiene kein Glück, ich verdiene kein Mitgefühl, ich verdiene diese Frau nicht. Vielleicht ist es auch besser so? Vielleicht hätte die Überschreitung dieser unwiderruflichen Grenze mehr Schaden angerichtet als mein Herz vermutet hatte? Sterben nicht alle Menschen in meiner Nähe? Wie kann ich zu lassen das auch ihr das Schicksal von Emilia zu Teil wird, nur weil ich egoistisch bin? War ich nicht schon immer einer der egoistischsten Menschen gewesen der unter meinen Mitmenschen verweilte?
Als sie weiterredet sehe ich sie an, wie sie neben mir kniet, als wüsste sie nicht so recht was sie denn eigentlich will, als sie die Lider senkt, da verspüre ich nichts weiter als den Drang meine Hand zu ihrem Kinn zu führen, ihren Kopf zu heben, damit ich wieder in die ozeanblauen Augen blicken kann, damit ich mich wieder in den ihren Verlieren kann. So sehr sich der Drang von meinem innersten bis hin zu meinen Fingerspitzen zieht, so sehr bezeichnet mich gleichzeitig mein Verstand mit schreiender, tosender Stimme als Idioten, das ich wirklich diese Versuchung meine eigene nenne. ‚Ich liebe Stefan‘, mit diesen Worten verfliegt der Drang, verfliegt die Versuchung, während mein Verstand in schallerndes Gelächter verfällt. Was wollte ich mir hier die ganze Zeit eigentlich vormachen? Warum dachte ich…
Schreien will ich, schreien und brüllen, doch alles was ich fertig bringe ist ein Blick der meine gesamte Fassungslosigkeit ausdrückt. Wie kann sie Stefan lieben? Wie kann sie einen Mann lieben der sie wie Dreck behandelt? Wie kann sie überhaupt lieben? Wie kann ich überhaupt denken das sie mich… Naja vergessen wir auch diesen Gedanken. Auf ihre Worte die auf das Liebesgeständnis folgen, will ich abrupt antworten, öffne die Lippen bereits um den Gedanken die sich auftun Luft zu machen, doch ich kann nicht. Aus meiner Kehle entkommt kein Ton, Kein Laut, nicht mal ein Mucks, sondern bloß Stille, qualvolle Stille, als habe mir jemand die Stimmbänder herausgerissen. Tatsächlich aber weigert sich schlichtweg mein Verstand mehr von mir preiszugeben, ihr mehr auf dem Silbertablett zu liefern was mein innerstes betrifft. Denn in Wahrheit bin ich nicht der Typ Kerl der alles bekommt was er will, ich bin zwar gutaussehend, groß und gut gebaut, doch auch ein hassender Trunkenbold. Ich lasse niemanden in meine Nähe und wenn dann schrecken sie die ersten fünf Minuten bereits ab, alle bis auf sie, die Frau mit den ozeanblauen Augen, die einen anderen liebte. Besser so, dann wird sie nicht Teil des Fluches den ich mein Leben nenne. Immer noch kann ich sie nur ansehen, ein Blick voller Überraschung und Skepsis, denn ihre Stimme begleitet von ihrem Blick sprechen meist eine andere Sprache als die Worte die aus ihrem Mund fallen. Doch im Gegensatz zu mir, schaut sie mich nicht an, hat den Blick gesenkt, schaut lieber zu Boden. Ist es denn so schrecklich mit mir? Hat sie jetzt erst erkannt was für ein Trunkenbold ich bin? War das alles nur Show? ‚Ich liebe Stefan‘, wieder kreisen diese drei Worte in meinem Kopf herum, so lächerlich sie mir auch erscheinen, so sehr treffen sie mich. Sie liebt Stefan, einen Kerl der mir seit unserer ersten Begegnung ein Dorn im Auge ist. Warum? Weil er jene Frau mit Füßen tritt, der man die Welt zu Füßen legen sollte. Weil er von einer Frau geliebt wird, deren Liebe er nicht einmal im Tod verdient hätte. Dieser Stefan macht mich so wahnsinnig wütend, dabei kann ich mir nicht erklären wieso oder ich will es mir einfach nicht eingestehen. Als sich unsere Blicke treffen, als sie ihren Blick hebt, da ist es fast wie ein Blitzschlag der durch meinen Körper zieht, ein Einschlag der sämtliche Emotionen, sämtliche Gedanken fortweht, bis nur noch blanke Leere übrig ist. ‚ Hoffentlich kommen wir uns niemals wieder in die Quere…‘ diese Worte sie sagen wieder das eine, doch ihre Augen, ihre rollenden, ozeanblauen Augen, sagen das andere. Wie darf ich diesen Satz verstehen? Sollen sie mir sagen sie will uns nie wieder auf gegnerischen Fronten sehen? Oder ist dies wirklich die Hoffnung, dass wir uns nie wieder über den Weg laufen? Will sie immer noch das ich das Weite suche, nach allem was in den letzten Minuten in dieser Hütte geschehen ist? Ich bin fassungslos, bringe kein Wort heraus, will aber nach ihrer Hand greifen, sie halten, damit nicht das passiert was Sekunden später passiert: Sie verschwindet mit einem einzigen ‚Leb wohl, Alexander…‘, als wäre sie niemals hier gewesen. Schlagartig setze ich mich auf, blicke zur Tür, da wo sie zuvor entschwunden ist. Erst jetzt schaffen es Emotionen und Gedanken gleichermaßen zurück zu mir, überrollen mich wie ein Tsunami eine Stadt, reißen alles mit sich und hinterlassen Trümmer, Schutt und Asche.
Ich bin wütend, wütend auf mich selbst, denn ich habe an etwas geglaubt was nie Realität geworden wäre. Es wäre wie die Schöne und das Biest gewesen, nur ohne Happy End, da einem Alexander Gideon Lightwood kein Happy End zusteht. Sie liebt Stefan, also warum hast du gedacht sie könnte ernsthaft….du verdammtes Herz, scher dich zurück hinter die Mauern, da wo du all die Jahre keinen Ärger gemacht hast. Sie will nicht, dass wir uns wieder in die Quere kommen, sie sieht mich als einen Fehler an, während alles in mir nach ihr und ihren ozeanblauen Augen schreit. Jetzt sitze ich da, allein, zurückgelassen, gestrandet. Caroline ist mir entglitten wie Sand durch meine Finger, eben noch da, jetzt fort, vom Winde verweht.
Je länger ich da sitze, mich nicht rühre, nur zur Tür starre, als könne sie jederzeit wieder herein kommen, desto schlimmer wird der Druck auf meine Brust. Wie konnte ich mich nur vom Weg abbringen lassen? Wie konnte ich ernsthaft versuchen etwas in Vampiren zu sehen? Wie kann diese Schwankung abermals über mich herfallen und alles umwerfen? Ich fahre mir durch die Haare, kralle meine Hände verzweifelt in deren schwärze, so sehr quälen mich all meine Gedanken. Wozu bin ich hier? Um meine Eltern zu rächen. Was hat mich vom Weg abgebracht? Caroline und die Erkenntnis, dass Vampir nicht gleich Vampir ist. Was hat ihr fortgehen in mir ausgelöst? Wut, Trauer, Einsamkeit.
Langsam stehe ich auf, schreite zum Schrank und entnehme ein neues Shirt, welches ich mir überziehe, damit ich die blanke, Tränen beweinte Brust nicht mehr sehen muss, wo zuvor noch ihr Kopf lag. Dann schreite ich zum nächsten Schrank, ziehe dort eine Flasche heraus und beginne zu trinken: Das Gemisch aus Wasser und Eisenkraut schmeckt widerlich, weswegen ich die Nase kraus ziehe und die Augen zusammen kneife. Was tut man nicht alles für seine Sicherheit? Doch mein weiteres Vorgehen ist noch ein großes Fragezeichen in mir, als ich die Flasche zurück stelle, mein eigenes Spiegelbild betrachte. Das ist Alexander Lightwood, der Kerl mit dem lächerlich perfekten Gesicht, seht und staunt über den Menschen dessen Schwankungen schneller Überhand nehmen als die Gemütszustände eines kleinen Kindes. Erst war es Rache die mich leitete, dann war es Mitgefühl und nun? Nun fühle ich ein Gemisch aus gefährlicher Wut, heilloser Trauer und allzu vertrauter, aber sonst verdrängter Einsamkeit, einzeln harmlose Emotionen, zusammen bedrohlich, wie eine tickende Zeitbombe. Sie ging um bei Stefan zu sein, während sie mir sagte ich könne jede haben. Hat sie nicht eine Sekunde daran gedacht, dass ich nicht jede will? Vermutlich ist sie froh mich los zu sein, froh mein lächerlich perfektes Gesicht nicht mehr sehen zu müssen. Es schmerzt und gleichzeitig schürt es die Wut in meinem inneren. Rache ist wieder im Anmarsch, das spüre ich, eine Rache die die Emotionen jederzeit wieder einsperren kann. Doch Caroline und ihre ozeanblauen Augen haben es geschafft die Emotionen zu befreien, sie zu bestärken, sodass nun Rache und Gefühle Seit an Seit leben müssen, zwei Fronten in einem ständigen Kampf auf Leben und Tod. Ich will Rache, Rache an dem Vampir der mir meine Eltern nahm, ich will ein Gespräch, ein Gespräch mit diesem Stefan. Moment, will ich das wirklich? Und wie ich das will! Ich will dem Kerl in die Augen blicken der das hat wovon mein Herz so lange träumte, tief im verborgenen meiner Schatten: Liebe die ich nie erfahren habe, Liebe die mir eins Mr. Hastings versucht hatte beizubringen, doch diese Lektion will mein Herz widerrufen, meinen Verstand eines Besseren belehren. Doch nun? Nun muss ich hier raus, weg von den Erinnerungen, weg von ihrem betörenden Geruch, einfach nur weg, weswegen ich mir eine neue Jacke schnappe, sie überstreife und die Hütte verlasse.

@Caroline Forbes


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#9

RE: Waldhütte von Alexander

in Wald & See 02.07.2017 23:05
von Alexander Lightwood • 205 Beiträge

Coming from: Außerhalb der Stadt | Wald & See | Die Wiege der Vampire | Seite 1 & 2

Der Weg wirkt deutlich länger und beschwerlicher mit einer Last auf den Schultern, deren Ausmaß zuvor nicht eingeschätzt werden konnte, fast so wie einst, als ich Caroline aus dem Kerker trug uns sie in meine Hütte brachte. Auch dies gleicht einem einzigen Déjà-vu ohnegleichen. Als ich endlich die Hütte erreiche und die hölzerne Tür aufschiebe, da erwische ich mich dabei wie ich einige Sekunden daran glaube, Rowan würde auf der Bildfläche erscheinen, mich mit ihrem kindlichen Lächeln verzaubern und mir mit Josie helfen. Doch schon Sekundenbruchteile danach bleibt die Hütte leer und einsam, auch als ich sie betrete und mit meiner Anwesenheit fülle. Als ich Josie auf das Bett lege, gehüllt in meine Lederjacke und ihr die Decke über den Körper lege, da ist der Gedanke an Rowan vorerst vergessen, stattdessen besetzen neue Gedanken meinen Verstand. Josie ist biologisch gesehen gerade einmal fünf Jahre alt, ist also auf ihre Eltern angewiesen. Doch da war niemand, im gesamten Wald, auf dem gesamten weg war niemand der sie suchte, niemand der ein kleines Mädchen vermissen würde, niemand der mich dafür anklagen könnte das ich sie mitnahm. Ich hätte sie auch schlecht liegen lassen können, ganz allein und erschöpft im Wald, dazu nackt bis auf eine einfache Lederjacke, allein mein Verstand hätte dies nicht zugelassen, geschweige denn mein Gewissen. Doch was soll ich nun tun? Sie muss zurück zu ihren Eltern, wenn sie denn welche hat.
Langsam gehe ich auf und ab, leise um sie nicht zu wecken, während ich jede Situation, jede meiner Möglichkeiten, jede meiner Optionen überdenke. Ich kenne dieses Mädchen erst ein paar Stunden, genau wie Rowan zuvor und beide schafften es mich dermaßen umzukrempeln das beide mein Herz erreichten. Josie erinnert mich an mich selbst, in jungen Jahren, verzweifelt auf der Suche nach etwas. Womöglich habe ich ihr deshalb solch eine Aufmerksamkeit geschenkt. Doch hätte ich das getan wäre ich nicht in diese Stadt gekommen? Wer weiß was passiert wäre, wenn ich nicht am ersten Abend direkt auf eine Vampirin gestoßen wäre? Würde ich immer noch mit Hass im Körper laufen, ohne dass Emotionen diese im Gleichgewicht halten? Oder wäre es besser wenn meine Gefühle wieder in der Truhe wären, wo sie nicht mein Urteilsvermögen trüben können? Fragen über Fragen, mehr und mehr häufen sich an, doch Antworten bleiben wie so oft aus. In mir tobt ein Chaos, eines welches ich nicht definieren kann, eines entfacht vor vielen, vielen Jahren, verdrängt durch Ereignisse, wiederbelebt durch eine Begegnung. Gefühle trieben wie das Meer in mir, zu Beginn ruhig, doch können die Wellen der Flut aufbrausen wie aus dem Nichts, während die Tiefe mich verschluckt, heillos ertrinken lässt.
Ich drehe mich zum Spiegel über dem Waschbecken, stütze mich auf eben jenem, kralle meine Hände in dessen Rand und begutachte mein Gesicht. Wer bin ich? Wer soll ich sein? Wer war ich? Bin ich immer noch der Selbe? Bin ich der der ich sein soll? Oder der den das Leben aus mir gemacht hat? Weitere Fragen ohne Antwort, weitere Zweifel an meiner Person. Ich wurde geboren und ohne einen Wegweiser, ohne eine Karte in die Welt geschickt, auf das ich meinen Weg finde, einen Weg dessen Suche ich nicht alleine hätte bestreiten können. Doch ich musste, ich musste diesen Weg finden, doch ob ich ihn erreicht habe, wie oft ich von ihm abkam oder wo das Ziel ist, das wage ich nicht einmal zu spekulieren, so sehr würde mich die Antwort treffen. Fraglich ist ob ich jener geworden bin den alle in mir sahen oder jener geworden bin den das Leben schaffen wollte. Alles was ich weiß ist, das mir entscheidende Dinge im Leben fehlen, Dinge die ich hätte lernen sollen, die mir niemand zeigte, Dinge die mir heute von Nützen sein könnten. Alles was ich weiß ist, dass ich wie der Löwe ohne wirklichen Mut und der Blechmann ohne Herz bin. Alles was ich weiß ist, dass ich Josie, wie einst Rowan, nicht hätte allein lassen können, weil etwas in mir drin, sei es auch über Jahre versteckt gewesen, mich dazu verleitet hat, mein Gewissen sie nicht alleine gelassen hätte.

@Josie Saltzman


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zuletzt bearbeitet 02.07.2017 23:07 | nach oben springen

#10

RE: Waldhütte von Alexander

in Wald & See 04.07.2017 12:22
von Josie Saltzman • 282 Beiträge

Ich hatte versucht ihm meine Situation so gut wie es mir gerade möglich war zu erklären. Es war nicht so einfach den ich wollte nicht so weit abschweifen, wir hätten sonst Stunden hier sitzen können. Seine Augen sahen in meine und ich wusste immer noch nicht was er dachte, wusste nicht was er von meinen Worten hielt wusste nicht ob er verstand warum ich so handelte. Ich wusste nur das jetzt gerade seine Hand an meiner Schulter der einzige halt war den ich hatte. Meine Stimme zittert leicht als ich seiner ersten Worte höre worauf ich nur tapfer nicke. Ich lausche nun seinen nächsten Worten und muss schlucken als er mir erklärt das die Angst nicht mein Leben bestimmen sollte. Einerseits beschwor er mich ich sei ein kleines Mädchen aber andererseits erwartete er etwas von mir was so mancher Erwachsener nicht hinbekam. Natürlich hatte er recht das Angst nicht mein Leben bestimmen sollte, aber das war eben meine Art damit umzugehen. Ausserdem hatte ich noch nie so einen Tag wie heute erlebt. Ihm genau die Situation zu erklären fühlte ich mich gerade nicht imstande, es würde nur so viel aufwühlen. "Ich spule vor aber es läuft auch wieder rückwärts in dem Sinne habe ich nichts verpasst sondern meine Zeit nur sinnvoller eingeteilt. Entschuldige wenn die Angst mich einfach manchmal erdrückt...aber ich werde es noch lernen damit besser um zu gehen."antwortete ich auf seine Worte als er abbrach. Ich wartete darauf das er weitersprach wollte wissen was in seinem Kopf vorging. "Nein ich glaube nicht das der Zauber sich ganze 12 Jahre halten lässt. Bis dahin wäre mein Körper komplett zerstört aufgrund der hohen Dosierung von Magie die die ganze Zeit durch den körper laufen müsste." Meine Lippen verzogen sich kurz zu einem Lächeln, für nur wenige Sekunden und doch war es da gewesen. "Ein Freund sagte ob richtig oder falsch ist am Ende Ansichtssache. Es mag für dich nicht richtig sein, aber für mich ist es das dennoch. Aber ich...."ich brach kurz ab um mich zu sammeln den ich spürte schon die nächsten Tränen aufsteigen. "Ich danke dir für deine Sorge um mich." beendete ich den Satz. Seine nächsten Worte allerdings machten es mir allerdings schwer meine Tränen zurück zu halten. Ich blinzelte verwirrt und sah ihn an. Ich sollte es hinnehmen? Einfach groß werden und warten bis ich 22 wurde? Einfach darauf warten wer den Kampf gewinnen würde und wem der tot bevorstand? Nein das würde ich auf keinen Fall tun, wollte nicht einmal daran denken aufzugeben. Mag sein das ich ihn auch falsch verstand aber nein das konnte ich nicht mit mir vereinbaren. Eigentlich dachte ich das er noch was sagen wollte und hatte ihn deshalb angesehen und gewartet. Alec schien allerdings sehr weit weg zu sein zumindest in seinen Gedanken. Ich wollte ihn nicht stören aber mich überkam es einfach und so hatte ich ihn einfach umarmt. Hatte einfach halt bei ihm gesucht um nicht völlig zu verzweifeln. Mein Gesicht ruht an seinem Hals, haut an haut und doch passierte nichts. Ich durfte diese Berührung einfach genießen musste mir keine Sorgen machen in diesem Gemütszustand die Kontrolle zu verlieren. Ich atmete seinen Duft ein, beruhigte mich langsam, kam langsam runter. Allerdings bewirkte das auch das sie müde wurde....so müde. Trotzdem versuchte ich die Augen aufzuhalten wollte mich nicht dem schlaf hingeben. Mein Kopf sinkt erschöpft gegen seine Brust versuche mich trotzdem an ihm festzuhalten. Ich weiß nicht einmal was mit mir los ist. Vielleicht brauchte ich nach dieser Zeit endlich etwas Nähe. Seit ich hier hergekommen war hatte ich keine Nähe gehabt von niemanden. Obwohl doch eine kleine kurze Umarmung hatte es zwischen mir und Klaus gegeben aber das fühlte sich so weit weg an. Ich höre seine Worte so weit entfernt und wehre mich weiterhin dagegen zu schlafen. "Nein...nicht schlafen..ich..." Weiter komme ich nicht da sich für einen Moment meine Augen schließen und ich kurz weg nicke. Doch ich kämpfte mich wieder wach. "Nein ich kann nicht...ich will nicht.." Ich wollte nicht schlafen schon gar nicht jetzt wo jemand sehen konnte warum ich es nicht wollte. Das Gefühl niemanden zur Last fallen zu wollen war so plötzlich wieder da, dass ich versucht war aufzustehen und alles wieder hinter meine Mauer zu schieben. Aber soweit kam es nicht den die Müdigkeit überwältigte mich ein weiteres Mal. Nur am Rande nahm ich wahr wie er meine Arme löst und mich auf seinen Rücken hievt. Sofort lege ich meine Arme wieder um ihn um mich fest zu halten. Spüre jeden Schritt denn er ging weshalb ich nur leicht döste.
Von dem Weg selber bekam ich immer weniger mit allerdings merkte ich wie er mich auf das Bett legt und mich zudeckte. Wie automatisch rollte ich mich in die Decke machte mich so kleine wie es ging. Schlafen ich hatte ganz vergessen wie gut das tat. Mein schlaf war nicht sonderlich fest ich hörte leise Schritte spürte regelrecht wie er hin und her ging aber dann wurde die Müdigkeit immer stärker und ich schlief fest ein und sogleich wurde mir wieder gezeigt warum ich nicht schlafen wollte.
~Es fing wie immer an, ich war in diesem langen dunklen Flur und sah mich um. ~
Ich wimmerte leise den ich wusste genau was nun folgen würde. Es ging nicht immer gleich aus aber es endete immer mit dem Tod.
~Mit langsamen und vorsichtigen Schritten ging ich weiter, bis ich einen Schrei hörte. Dieses mal war es der Schrei meiner Schwester. So markerschütternd und real als wäre das kein Traum.~
"Lizzie..."murmelte ich. "Ich komme..."
~Ich fing an zu rennen. Lief so schnell ich konnte aber es schien als würde ich das Ende niemals erreichen. Ich hörte immer wieder ihre Schreie und fühlte mich machtlos da ich nicht zu ihr kam.~
Ich fing an mich zu wälzen, Schweißtropfen bildeten sich auf meiner Stirn und mein atem beschleunigte sich.
~Endlich erreichte ich das Ende des Flurs wo meine Schwester mir von der andern Seite entgegen blickt völlig unversehrt. Ich atme erleichtert aus gehe zu ihr. Ich nehme sie in den Arm bin froh das es ihr gut geht. Dann spüre ich einen Schmerz in der Nähe meiner Brust. Sehe in ihr Gesicht, sehe ihr grinsen und ihre Worte machen mir eine Gänsehaut. "Besser du als ich."hörte ich sie sagen.~
Ich zittere am ganzen Körper als wäre ich wirklich verletzt, so als wäre das was ich sah wirklich gerade passiert. "Nein...bitte...bitte nicht.."
~Ich spüre seine Anwesenheit hinter mir. Er streicht mein Haar zur Seite während ich meine Hand auf meine Wunde drücke. "Töte sie bevor sie es tut."höre ich meinen Onkel sagen und spüre sein Messer in meiner Hand das er mir reicht.~
Ich kralle mich ins Bettlaken versuche wach zu werden. Will die Bilder nicht in meinem Kopf sehen die gleich kommen werden. Ich bäume mich auf will einfach nicht mehr
~Mein griff um das Messer wird fester. Ich fühlte mich wie in Trance. Ich laufe zu meine Schwester und ramme das Messer in ihre Brust ...immer und immer wieder. Als ich merke was ich getan hab da sinke ich auf den Boden. Fühle mich völlig zerissen. Drücke ihren leblosen Körper an mich und wippe hin und her. Ich spürte wie er mir über das Haar strich. "Brav...du bist ein braves Mädchen....~
Mit einem Aufschrei wurde ich wach und saß aufrecht im Bett. Für einen Moment noch völlig im Traum gefangen und am ganzen Körper zitternd. Ich blinzelte...sah mich um bis meine Augen auf Alecs trafen.




@Alexander Lightwood



°~ "A broken soul, hidden behind a smile" °~





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